Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. bedarfsorientierte Grundsicherung. Antragserfordernis für neuen Bewilligungszeitraum. keine Rückwirkung eines verspäteten Antrags. kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Die Bewilligung von Leistungen nach dem GSiG bzw von Leistungen nach §§ 41ff SGB 12 setzt einen - auch formlos möglichen - Antrag voraus. Dieser ist für jeden Bewilligungszeitraum zu stellen, dh nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums ist eine erneute Antragstellung erforderlich.

2. Die Rückwirkung eines verspätet gestellten Antrags kommt nicht in Betracht.

3. Auch über die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist es nicht möglich, eine frühere Antragstellung zu fingieren, wenn die Antragstellung durch Umstände verzögert wurde, die nicht der Sphäre des Sozialhilfeträgers zuzuordnen sind.

4. Beinhalten die Kosten für ein Untermietverhältnis eines Leistungsbezieher nach dem GSiG mangels gesondertem Zähler für Strom und Gas auch anteilig die Heiz- und Energiekosten, so sind aufgrund des Umstandes, dass die Kosten hierfür bereits vom Regelsatz umfasst sind, die Aufwendungen hierfür in Form eines pauschalen Betrags in Höhe von 12 Euro (8 Euro Haushaltsenergie und 4 Euro Warmwasserbereitung) vom Regelsatz für Haushaltsangehörige in Abzug zu bringen.

5. Beiträge für Versicherungen, die gesetzlich nicht vorgeschrieben sind, können vom Einkommen iR des § 3 Abs 2 GSiG iVm §§ 76ff BSHG nur dann der Höhe nach abgesetzt werden, soweit für die abgeschlossene Versicherung ein Bedürfnis anerkannt wird. Dies ist der Fall bei Beiträgen für solche Versicherungen, die einen der gesetzlichen Sozialversicherung vergleichbaren Schutz für die grundlegende Daseinsvorsorge gewährleisten (hier: keine Absetzbarkeit von Beiträgen für private Kranken-, Rechtsschutz- und Unfallversicherung).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.09.2009; Aktenzeichen B 8 SO 13/08 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart - S 16 SO 5026/05 - vom 15. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsgesetz (GSiG)) für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis 31. Dezember 2004 und die Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) im Zeitraum 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005.

Der ... 1949 geborene Kläger ist Schwerbehinderter (GdB 100), bei dem zusätzlich die Merkzeichen "G", "H" und "RF" festgestellt wurden. Mit Schreiben vom 29. November 2002 beantragte er bei der Beklagten Grundsicherungsleistungen zum 1. Januar 2003. In dem Antragsformular gab er unter Anderem an, sein Vater sei Haushaltsvorstand, er selbst beziehe Wohngeld in Höhe von 25,- € und eine Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von 399,17 €. Hinsichtlich der Mietkosten machte er keine Angaben, sondern verwies auf den beigelegten Wohngeldbescheid vom 19. Juli 2001, in welchem eine Bruttomiete von 181,- DM inklusive Heizkosten von 54,25 DM, Vergütung für Kühlschrank von 5,- DM und eine Vergütung für Waschmaschine von 17,25 DM ausgewiesen ist. Außerdem war dem Antrag ein an seinen Vater, Herrn O R, adressiertes Schreiben der Landes-Bau-Genossenschaft vom 27. Mai 2002 beigelegt, wonach die Nutzungsgebühr (einschließlich Nebenkosten) für die gemietete Wohnung ab 1. Juli 2002 493,48 € beträgt.

Mit Bescheid vom 27. Februar 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen der bedarfsorientierten Grundsicherung für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 30. Juni 2003 in Höhe von monatlich 87,33 €; sie legte dabei einen Regelbedarf von 235,- € zuzüglich einer Erhöhung um 44,10 € abzüglich einer Energiepauschale von 4,09 € zugrunde, sowie einen Mehrbedarf wegen Gehbehinderung in Höhe von 47,- €, Kosten der Unterkunft von 148,- € sowie Aufwendungen für Heizung von 15,83 € und stellte dem so errechneten Bedarf von 486,50 € das Einkommen des Klägers in Höhe von 399,17 € gegenüber. In dem Bewilligungsbescheid wird darauf hingewiesen, dass ein Antrag auf Weitergewährung der Leistungen der bedarfsorientierten Grundsicherung spätestens einen Monat vor Ablauf des Bewilligungszeitraumes zu stellen ist. Zudem machte die Beklagte den Kläger darauf aufmerksam, dass Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung der bedarfsorientierten Grundsicherung erheblich sind (z.B. Einnahmen durch Renten), unverzüglich mitzuteilen seien.

Durch Bescheid vom 11. März 2003 bewilligte die Beklagte in Änderung des Bescheides vom 27. Februar 2003 für die Zeit vom 1. April 2003 bis zum 30. Juni 2003 Grundsicherungsleistungen von monatlich 65,33 €. Dabei rechnete sie ein monatliches Wohngeld von 22,- € an, welches dem Kläger durch Bescheid der Wohngeldstelle der Beklagten für die Zeit vom 1. März 2003 bis 30. April 2003 bewilligt worden war.

Mit Schreiben vom 3. April ...

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