Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Arbeitsleben. Leistungen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen. Einkommenseinsatz. Heranziehung zu einem Kostenbeitrag zum Mittagessen. § 92 Abs 2 SGB 12 als lex specialis zu den §§ 85 ff SGB 12
Orientierungssatz
Bei § 92 Abs 2 SGB 12 handelt es sich um eine spezielle abschließende Regelung, die die allgemeinen Regelungen über die Anrechnung von Einkommen (§§ 85 ff SGB 12) verdrängt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I. Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob der Kläger zu einem Kostenbeitrag für die Einnahme des Mittagessens in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), in der er beschäftigt ist, herangezogen werden kann.
Der Kläger besucht seit Jahren eine WfbM. Er bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (laufender Zahlbetrag ab 1. Juli 2012 738,70 €). Daneben verfügt er seit dem Eintritt in den Werkstattbereich der WfbM über ein monatliches Entgelt aus der dortigen Beschäftigung in Höhe von brutto 325,00 €, netto 323,69 €. Für die vom Kläger angemietete Unterkunft beträgt die monatliche Kaltmiete 295,00 € zuzüglich einem monatlichen Betrag in Höhe von 85,00 € für Heiz- und Betriebskosten, insgesamt 380,00 €. Seit dem 1. September 2014 beträgt die Miete insgesamt 434,00 € (Kaltmiete 309,00 € und Nebenkosten 125,00 €).
Bereits mit Bescheid vom 3. Dezember 2003 hatte der Landeswohlfahrtsverband (LWV) einen Kostenbeitrag des Klägers für die Einnahme des Mittagessens in der WfbM in Höhe von 3,00 € täglich festgesetzt.
Mit Schreiben vom 21. August 2012 beantragte der Kläger bei der seit 1. Januar 2005 als Rechtsnachfolgerin des LWV zuständigen Beklagten die Befreiung von der Heranziehung zum Kostenbeitrag zum Mittagessen. Mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger verfüge über ein Einkommen in Höhe von insgesamt 1.032,50 € (Rente 738,70 € und zu berücksichtigendes WfbM-Einkommen 293,80 €). Bei der Erhebung des Kostenbeitrags sei auch berücksichtigt worden, dass ihm weiterhin ein notwendiger und angemessener Lebensbedarf zur Verfügung stehe. Ausgehend von den der Beklagten bekannten Daten sei ein fiktiver Grundsicherungsbedarf des Klägers in Höhe von 824,24 € ermittelt worden (die hier maßgebliche Regelbedarfsstufe einschließlich eventueller Mehrbedarfe und Aufwendungen für Unterkunft und Heizung). Demgegenüber stehe ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von monatlich 915,20 € (Rente 738,70 € sowie zu berücksichtigendes WfbM-Einkommen nach Absetzung des Freibetrags bei Grundsicherungsbezug in Höhe von 176,50 €). Damit übersteige sein Einkommen den Grundsicherungsbedarf um monatlich 90,96 €. Reduziere man darüber hinaus die Regelleistung im Bereich der fiktiven Grundsicherung um den auf die Ernährung, das Mittagessen entfallenden Anteil in Höhe von aktuell 22,80 € pro Monat, übersteige sein Einkommen die Grundsicherungsleistung sogar um 113,76 €. Dem stünden ein Kostenbeitrag in Höhe von 51,00 € gegenüber. Damit verbliebe ihm auch nach Inanspruchnahme noch ein monatlicher Betrag in Höhe von 62,76 € über dem fiktiven Grundsicherungsanspruch.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass sein Einkommen die Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) nicht überschreite. § 92 Abs. 2 SGB XII sei nicht die gegenüber § 85 Abs. 1 SGB XII speziellere und abschließende und daher einschlägige Regelung. § 92 Abs. 2 SGB XII schaffe keine außerhalb der allgemeinen Einkommensgrenze stehende Sonderregelung, sondern stelle eine Einschränkung des § 92 Abs. 1 SGB XII dar. Den dort Ersatzpflichtigen werde lediglich zugemutet, die Kosten für den Lebensunterhalt aufzubringen, sofern sie überhaupt nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII (§§ 85 ff. SGB XII) zu einem Kostenbeitrag herangezogen würden. Der Kläger verwies hierzu auf die Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen in seinen Urteilen vom 24. September 2009 - L 8 SO 154/07 - und vom 25. Februar 2010 - L 8 SO 5/08 -. Sein Einkommen liege unter der allgemeinen Einkommensgrenze des § 85 SGB XII, da nicht nur der zweifache Regelsatz, sondern zusätzlich auch noch die Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen seien. Die Einkommensgrenze betrage somit 748,00 € plus 380,00 € und damit 1.128,00 €, sein Einkommen betrage lediglich 1.063,70 €.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie verwies darauf, dass es sich bei den Leistungen im Arbeitsbereich der WfbM um eine Maßnahme nach § 41 SGB IX i.V.m. § 54 SGB XII handele, die in § 92 Abs. 2 Nr. 7 SGB XII genannt sei. Gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 7 SGB XII und § 92 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB XII seien die Kosten des Le...