Entscheidungsstichwort (Thema)

Alterssicherung der Landwirte. Befreiung von der Versicherungspflicht. Verwaltungsverfahren. aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs. Nachweis der Voraussetzungen. wesentliche Änderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 86a Abs 2 Nr 1 SGG ist auf einen Bescheid über die Aufhebung der Befreiung von der Versicherungspflicht entsprechend anwendbar.

2. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist auch dann anzuordnen (§ 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG), wenn der Widerspruchsbescheid bereits ergangen ist (Anschluss an LSG Stuttgart vom 30.3.2006 - L 8 AS 369/06 ER-B).

3. Zum Nachweis der Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG (Einkommensgrenzen) hat ein Selbstständiger auf Verlangen des Versicherungsträgers entsprechende Feststellungen der Finanzverwaltung vorzulegen (§ 73 Abs 1 ALG iVm § 196 Abs 1 S 1 Nr 1 und S 2 SGB 6). Er kann diese Pflicht nicht durch Vorlage anderer, von ihm als ausreichend erklärter Unterlagen erfüllen.

4. Die Verletzung dieser Pflicht stellt indessen keine wesentliche Änderung iS des § 48 SGB 10 gegenüber einer zuvor erfolgten Befreiung von der Versicherungspflicht dar.

 

Orientierungssatz

Grundsätzlich obliegt die objektive Beweislast für den Nachweis einer wesentlichen Änderung iS des § 48 SGB 10 der Behörde (vgl BSG vom 6.12.1989 - 9 RVs 3/89 = SozR 3870 § 4 Nr 3).

 

Tenor

Zum Verfahren wird beigeladen: A. C.-G., H., B..

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 6.11.2008 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23.9.2008 wird angeordnet.

Außergerichtliche Kosten sind im Antrags- und Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen die Aufhebung der Befreiung von der Versicherungspflicht und gegen die Festsetzung von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Alterssicherung nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).

Der Antragsteller ist selbstständiger Rechtsanwalt und Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in B. (Versorgungswerk), zu dem er Beiträge entrichtet. Er bezog nach eigenen Angaben vor ungefähr zehn Jahren zusammen mit seiner Ehefrau, der Beigeladenen, ein landwirtschaftliches Anwesen. Neben der Beigeladenen, die - so die Angaben - als Gesellschafterin und Geschäftsführerin ein Unternehmen und als Hobby die Dressurreiterei betreibt, haben dort auch Freunde und Bekannte Pferde untergestellt.

Bereits mit Bescheid vom 11.12.2000 hatte die Antragsgegnerin die Versicherungspflicht des Antragstellers als Ehegatte eines Landwirts zur landwirtschaftlichen Alterskasse mit Wirkung ab dem 1.2.1997 festgestellt. Kurz darauf befreite die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Wirkung ab 1.11.1999 wegen Überschreitens der Einkommensgrenzen von der Versicherungspflicht, zeitgleich hob sie den Bescheid vom 11.12.2000 über die Versicherungspflicht auf (Bescheide vom 15.1.2001).

Nachdem der Antragsteller von der Antragsgegnerin geforderte Nachweise über die Überschreitung der für die Befreiung maßgebenden Einkommensgrenzen nicht vorgelegt hatte, stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21.2.2005 erneut und mit Wirkung ab dem 1.11.1999 Versicherungspflicht fest und hob zugleich den Bescheid vom 15.1.2001 über die Befreiung von der Versicherungspflicht ab diesem Zeitpunkt wegen nicht nachgewiesener Voraussetzungen auf. Während des Widerspruchsverfahrens legte der Antragsteller - wie von der Antragsgegnerin gewünscht - eine Bescheinigung des Finanzamtes über die Überschreitung der Einkommensgrenzen vor, worauf die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 14.4.2005 einerseits Versicherungspflicht feststellte und ihn andererseits - unter Aufhebung des Bescheides vom 21.2.2005 insoweit - von der Versicherungspflicht ab dem 1.11.1999 befreite.

Weil sich der Antragsteller im Rahmen der Überprüfung der Befreiungsvoraussetzungen durch die Antragsgegnerin erneut geweigert hatte, entsprechende Unterlagen über sein Einkommen vorzulegen, stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 14.3.2006 erneut Versicherungspflicht fest und hob den Bescheid vom 14.4.2005 über die Befreiung von der Versicherungspflicht mit Ablauf des 31.12.2001 auf. Nachdem der Antragsteller entsprechende Bestätigungen des Finanzamtes über seine Einkünfte vorgelegt hatte, erging der Bescheid vom 15.5.2006, mit dem die Antragsgegnerin unter gleichzeitiger Feststellung von Versicherungspflicht den Antragsteller für die Zeit ab 1.1.2002 von der Versicherungspflicht befreite und den Bescheid vom 14.3.2006 insoweit aufhob. Unter der Überschrift Hinweise und Meldepflichten führte die Antragsgegnerin aus, die Befreiung gelte nur, solange eine oder mehrere Befreiungsvoraussetzungen erfüllt seien und der Antragsteller sei verpflichtet jede Änderung der Verhältnisse unverzüglich zu melden. Der Bescheid über die Befreiung von der Versicherungspflicht sei nicht endgültig. Die Versicherungspflicht trete ...

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