Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Anspruch auf Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit bei Drittanfechtung einer Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a SGB V. Anspruch auf isolierte Aufhebung eines Konkurrentenwiderspruchs. kein Wegfall einer Anordnung des Sofortvollzugs bei Aufhebung eines Konkurrentenwiderspruchs. Folgenabwägung bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 in Fällen konkurrierender Vertragsärzte
Orientierungssatz
1. Einer Genehmigung nach § 121a SGB 5 zur Durchführung von Maßnahmen künstlicher Befruchtungen ist drittschützende Wirkung beizumessen. Dies hat zur Folge, dass Vertragsärzte, die bereits über eine solche Genehmigung verfügen, im Falle eines Konkurrentenwiderspruchs Anspruch auf Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit haben (vgl BSG vom 30.10.2013 - B 6 KA 5/13 R = SozR 4-2500 § 121a Nr 4).
2. Im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 86b SGG führt eine unterlassene Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit nicht zugleich zu einem Anspruch des bereits über eine Genehmigung nach § 121a SGB 5 verfügenden Vertragsarztes auf Aufhebung des Genehmigungsbescheides eines dritten Leistungserbringers, sondern lediglich zu einem Anspruch auf - isolierte - Aufhebung des Widerspruchbescheides, mit dem sein Konkurrentenwiderspruch ohne die vom BSG für erforderlich erachtete Bedarfsgerechtigkeitsprüfung zurückgewiesen worden war.
3. Die Aufhebung eines solchen Widerspruchsbescheides führt nicht zum Wegfall einer Anordnung des Sofortvollzugs, sondern setzt das Verfahren lediglich wieder formell in den Stand des Widerspruchsverfahrens mit der Folge, dass die bereits angeordnete sofortige Vollziehbarkeit einer Genehmigung nach § 121a SGB 5 weiterhin bestehen bleibt.
4. Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG ist in Fällen konkurrierender Vertragsärzte in die Folgenabwägung stets auch das Gemeinwohlinteresse an einer gesicherten vertragsärztlichen Versorgung einzubeziehen. Dabei ist dem schützenswerten Interesse der Patientinnen und Patienten an einer Behandlungskontinuität aufgrund der hohen Behandlungssensibilität bei künstlichen Befruchtungen höhere Bedeutung zuzurechnen, als mögliche - lediglich behauptete - wirtschaftliche Nachteile.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.07.2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 30.000 € festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt erneut vorläufigen Rechtsschutz gegen eine dem Beigeladenen erteilte und von der Antragsgegnerin für sofort vollziehbar erklärte Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen (In-vitro-Fertilisation, IVF) nach § 121a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Der Antragsteller, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, ist mit Vertragsarztsitz in St. zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er betreibt das Kinderwunschzentrum St., Praxis V. H. Die Antragsgegnerin hat ihm hierzu eine Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen gemäß § 121a Abs. 2 SGB V erteilt.
Mit Bescheid vom 17.03.2010 erteilte die Antragsgegnerin auch dem Beigeladenen die Genehmigung zur Durchführung der künstlichen Befruchtung nach § 121a SGB V. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit Widerspruch vom 17.03.2011, den die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27.07.2011 zurückwies. Der Kläger sei nicht in eigenen Rechten verletzt. § 121a SGB V habe keinen drittschützenden Charakter. Der Vorstand der Landesärztekammer habe es deswegen abgelehnt, Bedarfskriterien festzulegen. Dagegen erhob der Antragsteller Klage (S 11 KA 4783/11).
Mit Bescheid vom 26.04.2012 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Genehmigung mangels Erfolgsaussichten der Konkurrentenklage an, da keine drittschützende Norm betroffen sei. Eine Interessen- und Folgenabwägung falle zu Gunsten des Beigeladenen aus. Dieser habe Investitionen in die von ihm vorzuhaltende Ausstattung getätigt. Ohne sofortigen Vollzug der Genehmigung drohten irreparable wirtschaftliche Schäden.
Einem Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebende Wirkung seiner Klage gab das Sozialgericht Stuttgart statt (Beschluss vom 23.07.2012 - S 11 KA 2883/12 ER). Auf die Beschwerde des Beigeladenen hob der erkennende Senat den Beschluss des Sozialgerichts mit Beschluss vom 05.12.2012 (Az. L 5 KA 3720/12 ER-B) auf und lehnte den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage mangels Erfolgsaussichten ab. Die defensive Konkurrentenklage werde schon deshalb erfolglos bleiben, da § 121a SGB V allein objektives Recht enthalte und Inhabern bestehender IVF-Genehmigungen keine subjektiv-öffentlichen (Abwehr-)Rechte zuweise.
Mit Urteil vom 30.10.2013 (Az. B 6 KA 5/13 R) hat das Bundessozialgericht in einem gleichgelagerten Fall die dri...