Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Einreise zum Zweck der Arbeitsuche. Unionsbürger. keine erstmalige Einreise bei Rückkehr nach Auslandsaufenthalt
Leitsatz (amtlich)
Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts erfordert eine restriktive Auslegung der Bestimmung des § 7 Abs 1 S 2 SGB 2 dahingehend, dass ein Unionsbürger im Falle eines vorangegangenen langjährigen Aufenthaltes in Deutschland auch bei einer Einreise zum Zwecke der Arbeitsuche dann nicht vom Bezug von Leistungen nach dem SGB 2 ausgeschlossen ist, wenn er nach einem Auslandsaufenthalt nach Deutschland zurückkehrt.
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 3. August 2007 geändert.
Die Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellerinnen vom 24. April 2007 bis zum 30. November 2007 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in gesetzlicher Höhe unter Anrechnung der seit dem 24. April 2007 bezogenen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu gewähren.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird verworfen.
Die Beigeladene hat den Antragstellerinnen die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Den Antragstellerinnen wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C.-L. F., F., bewilligt. Es sind keine Raten auf die Prozesskosten zu entrichten.
Gründe
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden der Antragstellerinnen, denen das Sozialgericht Freiburg (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), sind zulässig und in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang auch begründet. Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin, welcher ebenfalls nicht abgeholfen wurde, ist demgegenüber als unzulässig zu verwerfen, da die Antragsgegnerin durch die erstinstanzliche Entscheidung nicht beschwert ist.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, da es den Antragstellerinnen ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 ≪beide auch in juris; jeweils m.w.N.≫). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - ≪juris≫ unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ NVw Z 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u. U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller vorzunehmen (vgl. schon Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - ≪juris≫ unter Hinweis auf BVerfG NVwZ 1997, 479; NVwZ 2005, 927; ferner Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung ≪VwGO≫, 2. Auflage, § 123 Rdnrn. 79, 96, 100; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 3. Auflage, Rdnrn. 15, 25). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbes...