Entscheidungsstichwort (Thema)

Kranken- und Pflegeversicherung. Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder. hauptberuflich selbständige Tätigkeit. Zuschüsse aus dem Programm "Soforthilfe Corona". Beitragspflicht. vorläufige Beitragsfestsetzung. keine Bindungswirkung für die endgültige Beitragsfestsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Einkommenssteuerbescheid als Einkünfte berücksichtigte Zuschüsse aus dem Programm "Soforthilfe Corona" unterliegen bei einer freiwilligen Krankenversicherung der Beitragspflicht in der Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.

2. Vorläufige Beitragsfestsetzungen entfalten keine Bindungswirkung für die endgültige Beitragsfestsetzung, sondern erledigen sich im Sinne des§ 39 Abs 2 SGB X mit der formellen endgültigen Festsetzung.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom

13. Dezember 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die endgültige Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020.

Der 1974 geborene ledige und kinderlose Kläger ist seit März 2014 als hauptberuflich Selbstständiger bei der Beklagten zu 1 freiwillig kranken- und bei der Beklagten zu 2 sozial pflegeversichert.

Die Beklagte zu 1 setzte - hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 - die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid vom 6. Dezember 2019 vorläufig in Höhe von monatlich 196,35 € (Krankenversicherung: 160,75 €; Pflegeversicherung: 35,60 €) ab dem 1. Juli 2019 fest. Grundlage für die vorläufige Beitragsberechnung war das Arbeitseinkommen aus dem Einkommenssteuerbescheid des Jahres 2018 in Höhe von 12.946 €. Mit Bescheid vom 9. September 2020 setzte sie - hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 - einen vorläufigen Monatsbeitrag in Höhe von 203,91 € (Krankenversicherung: 166,94 €; Pflegeversicherung: 36,97 €) ab dem 1. Juni 2020 aufgrund des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2019, der Arbeitseinkommen in Höhe von 13.445 € auswies, fest.

Auf seinen Antrag vom 30. März 2020 bewilligte die L1-bank Baden-Württemberg (im Folgenden: L-Bank) dem Kläger mit Zuwendungsbescheid vom 30. April 2020 einen Zuschuss in Höhe von 4.500 € aus dem Programm „Soforthilfe Corona“.

Am 9. Juli 2021 legte der Kläger den Fragebogen „Einkommenserklärung zur Beitragseinstufung“ zusammen mit dem Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes E1 für das Jahr 2020 vom 22. Juni 2021 vor (Bl. 29 ff. der vorgelegten Verwaltungsakte ≪VA≫), der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 20.921 € auswies. Daraufhin setzte die Beklagte zu 1 - hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 - mit Bescheid vom 16. Juli 2021 (Bl. 19 ff. VA) den monatlichen Beitrag für den Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2020 endgültig in Höhe von 317,30 € (Krankenversicherung: 259,77 €; Pflegeversicherung: 57,53 €) fest. Für diesen Zeitraum bestehe eine Nachzahlungspflicht in Höhe von insgesamt 1.398,48 € (Krankenversicherung: 1.144,91 €; Pflegeversicherung: 253,57 €). Mit weiterem Bescheid vom 16. Juli 2021 (Bl. 22 ff. VA) setzte die Beklagte zu 1 - hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 - den Monatsbeitrag ab dem 1. Juli 2021 vorläufig auf 320,79 € (Krankenversicherung: 263,26 €; Pflegeversicherung: 57,53 €) fest. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass er den bisherigen Beitragsbescheid mit Wirkung zum 1. Juli 2021 ersetze.

Mit seinem Widerspruch „gegen die Entscheidung vom 16.07.2021“ machte der anwaltlich vertretene Kläger geltend, bei der Beurteilung des Verdienstes seien die Leistungen, die aufgrund des Corona-Hilfsfonds gezahlt worden seien, nicht zu berücksichtigen. Diese beliefen sich auf 4.500 €. Die Beklagte zu 1 wertete den Widerspruch des Klägers als Widerspruch gegen beide Bescheide vom 16. Juli 2021 und erläuterte mit Schreiben vom 6. August 2021 ausführlich, wie sie die endgültige Festsetzung der Monatsbeiträge für den Zeitraum vom Januar 2020 bis Dezember 2020 errechnet habe (Bl. 11 ff. VA). Nachdem der Kläger an seinem Widerspruch festhielt, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 1 - zugleich auch als Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 2 - mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2022 „den Widerspruch“ des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, unter Beachtung von§ 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler (BeitrVerfGrds SelbstZ) seien die Beiträge für das Jahr 2020 endgültig und ab dem 1. Juli 2021 vorläufig mit dem Arbeitseinkommen aus dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2020 festgesetzt worden. Die Corona-Soforthilfen des Bundes seien als einmalige steuerbare Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssten, konzipiert (Bezugnahme auf BT-Drucks. 19/18105 ). Das Ziel der Förderung bestehe darin, selbstständig Erwerbstätige bei der Überbrückung ak...

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