Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Fahrtkosten für Arztbesuche. kein Anspruch bei geringfügigem Übersteigen des im Regelbedarf für den Verkehr enthaltenen Anteils
Leitsatz (amtlich)
Es besteht mangels besonderen Bedarfs kein Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfes gemäß § 21 Abs 6 SGB II für Fahrtkosten zu Ärzten, wenn die Fahrtkosten den im Regelbedarf für Verkehr enthaltenen Anteil nicht deutlich übersteigen.
Normenkette
SGB II § 21 Abs. 6 Sätze 1-2, Abs. 7 Sätze 1, 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1a S. 1, Abs. 2 S. 2 Fassung: 2006-03-24, Abs. 4, 5 S. 3 Fassung: 2011-05-13, § 24 Abs. 1, § 41 Abs. 1; SGB XII § 28; SGB V § 60; BRKG § 5 Abs. 1; SGG § 63 Abs. 1 S. 2, § 134 Abs. 1, § 137 S. 1, §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2, § 172 Abs. 2
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. August 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Erstattung von Fahrtkosten zu eigenen ambulanten Behandlungen bei Fachärzten sowie zu Klinikbesuchen bei seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter im Zeitraum vom 9. März 2015 bis 25. Januar 2017 in Höhe von insgesamt 124,02 Euro als Zuschuss.
Der 1951 geborene Kläger bezog bis zum Beginn seiner Regelaltersrente am 1. Juli 2016 Leistungen des Beklagten zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Unter anderem bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2015 vorläufig Leistungen für April bis September 2015. Mit Änderungsbescheid vom 24. März 2015 bewilligte ihm der Beklagte - wegen noch nicht bekannten Einkommens des Klägers aus einer geringfügigen Beschäftigung vorläufig - Leistungen für April 2015 bis September 2015 in Höhe von insgesamt monatlich 538,28 Euro, mit Änderungsbescheid vom 8. April 2015 für April 2015 vorläufig in Höhe von 538,28 Euro. Der Betrag setzt sich zusammen aus dem Regelbedarf von 360,00 Euro, einem Mehrbedarf (wegen dezentraler Warmwasserzeugung) in Höhe von 8,28 Euro und Bedarfen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 170,00 Euro. Der Kläger lebte in diesem Zeitraum zusammen mit seiner Lebensgefährtin sowie zwei - ab dem 6. Juli 2015: drei - Kindern in E..
Der Kläger beantragte am 14. Juni 2015 und am 22. Juli 2015 beim Beklagten die Übernahme von Fahrtkosten zu Ärzten und Kliniken und zwar für eigene ambulante Arztbesuche am 11. Juni, 6. Juli, 20. Juli und 27. Juli 2015 jeweils in S. sowie für fünf Besuchsfahrten zu seiner Lebensgefährtin während deren stationärer Krankenhausaufenthalte in S. vom 18. bis 21. Mai und vom 2. bis 6. Juli 2015 bzw. zu der am 2. Juli 2015 dort geborenen gemeinsamen Tochter.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 2. September 2015 vorläufig unter anderem für Juni 2015 Leistungen in Höhe von 517,34 Euro (Regelbedarf: 339,06 Euro; Mehrbedarf: 8,28 Euro; Bedarfe für Unterkunft und Heizung: 170,00 Euro) und für Juli 2015 in Höhe von 489,72 Euro (Regelbedarf: 344,31 Euro; Mehrbedarf: 8,28 Euro; Bedarfe für Unterkunft und Heizung: 137,13 Euro). Mit Aufhebungsbescheid vom 1. September 2015 hob der Beklagte seine bisherige Bewilligung entsprechend teilweise (für Juni 2015 in Höhe von 20,94 Euro, für 2015 in Höhe von 15,70 Euro) auf. Grund hierfür war Einkommen (nach Abzug der Freibeträge) des Klägers in Höhe von 20,94 Euro und im Juli 2015 in Höhe von 15,70 Euro. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2015 zurück.
Der Beklagte lehnte mit weiterem Bescheid vom 2. September 2015 höhere Leistungen für einen “Mehrbedarf für unabweisbare, laufende besondere Bedarfe in Härtefällen„ ab. Die Leistungsbewilligung für Juni bis September 2015 (Bescheid vom 18. März 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. März 2015) sei überprüft worden. Ein Mehrbedarf sei nicht anzuerkennen, weil weder Anhaltspunkte für das Bestehen einer atypischen Lebenslage, eines atypischen Ursprungs des Bedarfs oder eines erheblich überdurchschnittlichen Bedarfs noch Anhaltspunkte vorlägen, dass der besondere Bedarf nicht anderweitig hätte gedeckt werden können.
Hiergegen erhob der Kläger am 5. September 2015 Widerspruch. Für seine Arztbesuche am 11. Juni, 6. Juli, 20. Juli und 27. Juli 2015 sei ein Mehrbedarf zu gewähren. Auch für die Besuche bei seiner Lebensgefährtin und dem neugeborenen, leiblichen Kind bestehe ein Anspruch auf Mehrkostenersatz. In dem verminderten Regelsatz von 360 Euro seien diese Kosten nicht enthalten.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2015 zurück. Ein Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II liege nicht vor. Es fehle bereits an der vom Gesetz vorausgesetzten Atypik des Bedarfs. Sowohl Besuche bei Fachärzten im örtlichen Nahbereich als auch Besuchsfahrten ins nahegelegene Krankenhaus seien keine atypischen, sondern gewöhnliche Bedarfe, die jeden mehr oder weniger häufig betr...