Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob einem Rechtsanwalt eine Vollmacht wirksam erteilt worden ist und damit die Berufung wirksam erhoben wurde.

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Januar 2023 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in der Sache um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die Klägerin zu 1) beantragte im März 2021 für sich und die Kläger Ziff. 2 bis 5 als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft - alle bulgarische Staatsangehörige - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zu dieser Zeit bewohnten sie eine Wohnung in D1 (vgl. Meldebescheinigung Gemeinde D2 vom 09.03.2021, Bl. 78 eVA).Die Kläger zu 1) und zu 2) sind seit Dezember 2015 verheiratet und Eltern der minderjährigen Kläger zu 3) bis 5).

Mit Versagungsbescheid nach§ 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) vom 19.05.2021 (Bl. 14 f. eVA) versagte der Beklagte den Klägern die beantragten Leistungen ab 01.03.2021 ganz, da die zuvor mit Mitwirkungsschreiben vom 29.04.2021 angeforderten Unterlagen nicht bzw. nicht vollständig vorgelegt worden seien.

Hiergegen erhob Rechtsanwalt S1, dessen wirksame Bevollmächtigung streitig ist, per Faxschreiben vom 25.05.2021 und dem Hinweis, dass er die Klägerin zu 1) anwaltlich vertrete, im Namen der Klägerin zu 1) Widerspruch (Bl. 18 eVA). Eine schriftliche Vollmacht war dem Widerspruchsschreiben nicht beigefügt.

Aufgrund eines vor dem Sozialgericht (SG) Ulm geführten Eilverfahrens ( S 14 AS 1377/21 ER , Bl. 174 eVA) forderte der Beklagte weitere Unterlagen von den Klägern mit Schreiben vom 22.07.2021 an, die diese nicht vorlegten.

Daraufhin erließ der Beklagte den an die Klägerin zu 1) adressierten Versagungsbescheid vom 18.08.2021 (Bl. 198 eVA), mit dem er den Klägern die beantragten Leistungen ganz ab 01.03.2021 versagte und gegen den Rechtsanwalt S1 ebenfalls per Faxschreiben vom 30.08.2021 unter Hinweis darauf, dass er die Klägerin zu 1) vertrete, in deren Namen Widerspruch erhob (Bl. 202 eVA). Auch diesem Widerspruch fügte er keine schriftliche Vollmacht bei.

Mit dem an Rechtsanwalt S1 adressierten Widerspruchsbescheid vom 21.09.2021 (Bl. 205 ff. eVA) verwarf der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.05.2021 als unzulässig, da sich für die Widerspruchsführerin aus dem angegriffenen Versagungsbescheid aufgrund des zwischenzeitlich ergangenen weiteren Versagungsbescheides vom 18.08.2021 keine Beschwer mehr ergebe.

Mit dem weiteren an Rechtsanwalt S1 adressierten Widerspruchsbescheid vom 21.09.2021 (Bl. 208 ff. eVA) wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.08.2021 als unbegründet zurück.

Am 07.10.2021 teilte die Klägerin zu 1) dem Beklagten telefonisch mit (vgl. Aktenvermerk, Bl. 217 eVA), dass sie und die übrigen Kläger am 08.10.2021 nach N1 umziehen würden. Mit Schreiben vom 07.10.2021 (Bl. 219 eVA), beim Beklagten am 12.10.2021 eingegangen, teilten die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) mit, dass die ganze Familie nach N1 umziehe, da die Klägerin zu 1) zum 02.10.2021 eine neue Arbeit gefunden habe. Zugleich legten sie eine Wohnungsgeberbestätigung der U1-Finanzvermittlung N1 zur Vorlage bei der Meldebehörde vom 05.10.2021 vor, wonach sie ab 05.10.2021 in einer Wohnung in der E1-straße in N1 wohnen würden (Bl. 229 eVA).

Am 18.10.2021 hat Rechtsanwalt S1 per Faxschreiben gegen den Bescheid vom 18.08.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2021 im Namen aller Kläger Klage zum SG Ulm erhoben mit dem Begehren, den Klägern Leistungen nach dem SGB II in gesetzlichen Umfang zu gewähren. Als Wohnortgemeinde der Kläger hat Rechtsanwalt S1 in „D2“ genannt.

Mit an die Klägerin zu 1) unter der E1-straße in N1 adressiertem Bescheid vom 20.10.2021 (Bl. 236 ff. eVA) lehnte der Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld II für alle Kläger für die Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021 ab, da die Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen sei.

Mit Terminbestimmung vom 21.10.2022 hat das SG die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 20.01.2023, 10:45 Uhr und eine Dolmetscherin für die bulgarische Sprache geladen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung sind die Kläger trotz Zuwartens von 25 Minuten nicht erschienen. Der anwesende Rechtsanwalt S1 hat im Termin auf Anfrage der Kammervorsitzenden, ob die Kläger noch erscheinen würden, geantwortet, „diese wohnen wohl in England“ (vgl. Protokoll, Bl. 41 ff. SG-Akte). Im Übrigen hat er auf die Frage, was mit der Klage begehrt werde, seine Tasche gepackt und den Sitzungssaal vor Ende der mündlichen Verhandlung mit den Worten verlassen „Ich komme um 11:30 Uhr wieder“ (vgl. Protokoll, Bl. 41 ff. SG-Akte). Die Kammervorsitzende hat die mündliche Verhandlung um 11:10 Uhr beendet.

Mit Urteil vom 20.01.2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der angefochtene Versagungsbe...

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