Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Berufung. Unzulässigkeit. Verwerfung. Bevollmächtigung eines Rentenberaters. ernstliche Zweifel am Fortbestehen der Vollmacht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, wenn ernstliche Zweifel an der Bevollmächtigung des Rentenberaters bestehen und dieser bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts keine aktuelle Vollmacht zu den Akten gereicht hat.
2. Ernstliche Zweifel am Fortbestand einer früher erteilten Vollmacht können sich aus dem Verhalten des Rentenberaters in früheren Verfahren sowie der konkreten Verfahrensführung im Einzelfall ergeben, etwa wenn sich der Kläger im Verwaltungsverfahren wiederholt selbst an die Beklagte wendet, weil er den Rentenberater nicht erreichen kann oder dieser Unterlagen nicht weitergeleitet hat.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 08.02.2024 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten unter Androhung eines Zwangsgeldes, eine von ihm erteilte Vollmacht nicht (weiterhin) zu missachten.
Der 1962 geborene Kläger beantragte mit Schreiben vom 09.07.2020 - bei der Beklagten per Fax am 10.07.2020 eingegangen - die Erteilung einer Rentenauskunft mit sämtlichen Wartezeitauskünften und Berechnungsanlagen. Er ließ sich hierbei durch den Diplom-Verwaltungswirt und Rentenberater für Sozialversicherung E1 (im Folgenden: Rentenberater) vertreten, der der Beklagten eine am 29.06.2020 unterschriebene Vollmacht folgenden Inhalts vorlegte (S. 266 VA, S. 9 Senatsakte):
„Vollmacht
Hiermit erteile ich
Dipl.-Verwaltungswirt E2
Rentenberater für Sozialversicherung
A1-str., W1
Tel.: …
In Sachen: T1, L1 ./. DRV Bund
Vollmacht zur Vertretung bis auf Widerruf. Die Vollmacht umfasst das Verhandeln, die Abgabe und Entgegennahme von Erklärungen, Bescheiden und sonstigen Rechtsmitteln sowie die Einsichtnahme in Akten und Gutachten.
Die Vollmacht insbesondere:
-zur Abgabe von einseitigen Willenserklärungen
-zur Stellung von Anträgen auf Erteilung sämtlicher Auskünfte
-zur Entgegennahme ärztlicher Gutachten und Bescheinigungen
-zur Prozessführung einschl. der Befugnis zur Erhebung und Zurücknahme von Klagen und Abschlüssen von Vergleichen
-zur Vertretung in sonstigen Verfahren und bei außergerichtlichen Verhandlungen aller Art
-zur Übertragung der Vollmacht ganz oder teilweise auf andere (Untervollmacht)
-zur Entgegennahme zu erstattender Beträge und zur Verfügbarkeit hierüber, sowie sonstiger Zahlungen jeglicher Art ohne Beschränkung des§ 181 BGB
-zur Entgegennahme von Nachzahlungen und Einmalzahlungen über das Anderkonto
-zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht
Die Vollmacht gilt für alle Instanzen und erstreckt sich auf Neben- und Folgeverfahren aller Art.
Jeglicher Schriftwechsel hat nur mit dem Bevollmächtigten zu erfolgen.“
Die Beklagte bat den Kläger daraufhin mit (Erinnerungs-)Schreiben vom 12.08.2020 (S. 268 VA) und vom 09.09.2020 (S. 269 VA) - über den Rentenberater - Angaben zu bislang ungeklärten Zeiten zu machen. Da daraufhin keine Reaktion des Klägers oder des Rentenberaters erfolgte, schickte sie dem Kläger - wiederum über den Rentenberater - die ihr bereits vorliegenden Unterlagen mit Schreiben vom 07.10.2020 wieder zurück (S. 270 VA).
Mit Schreiben vom 05.11.2020 - bei der Beklagten am 06.11.2020 eingegangen - bat der Rentenberater, jetzt die Rentenauskunft „ohne weiteren Aufwand“ bekanntzugeben. Bei den im Schreiben vom 07.10.2020 angeführten Zeiten handele es sich um „sog. geklärte Lücken“, in denen nicht rechtlich relevant etwas zurückgelegt worden sei (S. 281 VA).
Am 16.11.2020 erließ die Beklagte sodann einen Feststellungsbescheid, in dem sie alle darin aufgeführten Daten bis zum 31.12.2013 verbindlich feststellte (S. 284 ff. VA) und sandte diesen sowie eine Rentenauskunft vom selben Tage (S. 291 ff. VA) an den Rentenberater (S. 283 VA). Gegen den Bescheid erhob der Rentenberater am 15.12.2020 Widerspruch (S. 313 VA) und kündigte Anträge und eine Begründung an. Am 25.03.2021 teilte der Rentenberater der Beklagten - auf deren Anruf hin - telefonisch mit, dass seine Kanzlei wegen Corona geschlossen gewesen sei, weshalb es dort Rückstände gebe (S. 319 VA). Die Frist zur Antragstellung und Begründung wurde daraufhin um drei Wochen verlängert. Nach fruchtloser Verstreichung der Frist wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2021 zurück (S. 322 ff. VA) und sandte diesen mit Schreiben vom 21.05.2021 an den Rentenberater (S. 324 VA). Hiergegen erhob der Kläger - vertreten durch den Rentenberater - Klage beim Sozialgericht Freiburg - SG - ( S 4 R 1985/21 , S. 329 ff. VA), die er am 13.04.2022 für erledigt erklärte und beantragte, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (S. 376 f. VA).
Am 21.04.2022 ging ein vom Kläger persönlich gestelltes Gesuch auf Übersendung einer Rentenauskunft bei der Beklagten ein (S. ...