Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten nur im Ausnahmefall
Orientierungssatz
Zur nur im Ausnahmefall bestehenden Pflicht der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bei einem auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten im Rahmen der Prüfung des Vorliegens einer verminderten Erwerbsfähigkeit iS des § 43 SGB 6.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.05.2021 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1964 geborene Klägerin, türkische Staatsbürgerin, besuchte nach eigener Angabe viereinhalb Jahre die Schule in der Türkei, bevor sie im August 1977 von dort kommend in das Bundesgebiet zuzog. Einen Beruf erlernte sie nicht. Ab September 1980 war sie ihren Angaben gemäß in einer Wäscherei in Vollzeit beschäftigt. Nach Geburt ihres dritten Kindes (1991) arbeitete sie in Teilzeit in der Wäscherei und anschließend bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Herbst 2016 ebenfalls in Teilzeit respektive als geringfügig Beschäftigte („Mini-Job“) als Reinigungskraft (vgl. zu allem S. 52 Senats-Akte; S. 2-2 des Reha-Entlassungsberichts vom 24.12.2018; Kontospiegel vom 11.09.2017, S. 191 ff. VerwA/elektr.). Von Anfang Februar 2010 bis Ende August 2017 bezog sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, auf die sie ab September 2017 verzichtete (s. S. 162 VerwA/elektr.). Bei ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt.
Nach Diagnose eines (mäßig differenzierten) invasiven Mamma-Karzinoms links im November 2016 befand sich die Klägerin vom 11.04. bis 09.05.2017 in stationärer Anschlussrehabilitationsbehandlung in der MediClin K1 R1. Die dortigen Ärzte entließen sie ausweislich des Entlassungsberichts vom 29.05.2017 (Diagnosen, s. Seite 2.1 des Berichts: mäßig differenziertes invasives Mamma-Karzinom links mit niedrigem Malignitätsgrad ohne sicheres invasives Wachstum bei Zustand nach brusterhaltender Operation, Fatigue nach Tumortherapie, postoperativ schmerzhafte Funktionseinschränkung des linken Schultergelenks, chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, chronifizierte depressive Störung - seit Jahren bekannt -, abgeheilte Hepatitis A/B) mit einem unter dreistündigen Leistungsvermögen. Auf absehbare Zeit sei bei vorbestehender psychischer Belastung (chronifizierte depressive Störung) und chronischer Schmerzerkrankung bei jetzt durch die Mamma-Karzinomerkrankung akzentuierter psychischer und körperlicher Einschränkungen keine berufliche Einsetzbarkeit gegeben. Die Ärzte beschrieben u.a. eine hohe Klagsamkeit der Klägerin, Beschwerdedemonstrationen ohne organisches Korrelat, die Nichteinnahme von Medikamenten sowie nicht kongruente Zielsetzungen, auch bei sprachlicher Barriere.
Am 05.09.2017 beantragte die Klägerin (erneut) die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen bei - u.a. das Gutachten nach Aktenlage des S5 (Ärztlicher Dienst der Agentur für Arbeit H1) vom 27.07.2017 - und holte bei der K2 das Gutachten vom 11.01.2018 ein. K2 diagnostizierte bei der Klägerin nach Untersuchung Mitte November 2017 - zu der sie eine Dolmetscherin für die türkische Sprache hinzuzog - eine unzureichend behandelte Dysthymia , ein chronifiziertes Schmerzsyndrom, ein Mamma-Karzinom links ohne Rezidivhinweis , ein - unzureichend behandeltes - Rotatorenmanschettensyndrom im Bereich der linken Schulter, ein degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom bei - anamnestisch - Zustand nach Bandscheibenvorfall, einen Verdacht auf einen - nicht insulinpflichtigen - Diabetes mellitus sowie einen Bluthochdruck. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in wechselnder Körperhaltung (ohne Früh- und Nachtschicht, ohne Wechselschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Verantwortung für andere Personen bzw. häufigen Publikumsverkehr, ohne sozial fordernde Interaktionen, ohne häufige Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Knien, Hocken oder Bücken, ohne linksseitige Überkopfarbeiten sowie ohne Hitzeaussetzung) sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Die Leistungsbeurteilung der Ärzte der K1 sei nicht nachvollziehbar.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 17.01.2018 und der Begründung ab, dass die Klägerin jedenfalls leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten könne, sodass keine Erwerbsminderung vorliege. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte nach sozialmedizinischer Stellungnahme der K2 vom 20.06.2018 (S. 242 VerwA/elektr.) mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2018 zurück.
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