Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Akquirierung und Gewinnung von Neukunden für ein Unternehmen, das vor allem die Reinigung von Matratzen zum Gegenstand hatte. variable Entgeltvereinbarung. der Höhe nach begrenzte Provisionsvergütung. Zugriffserfordernis auf Terminkalender der Auftraggeberin. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Vergütungsvereinbarung zwischen Auftraggeberin und Auftragnehmerin, bei der die Höhe der monatlichen Vergütung auf einen bestimmten Betrag begrenzt ist (Deckelung), und die außerdem so gestaltet ist, dass die Auftragnehmerin die volle (und der Höhe nach begrenzte) Vergütung nur dann erhält, wenn sie einen bestimmten Umsatz generiert, ist ein starkes Indiz für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.

2. Muss die Auftragnehmerin bei ihrer Tätigkeit für die Auftraggeberin (hier: Neukundenakquise) auf den Terminkalender der Auftraggeberin zugreifen, um zu prüfen, ob ein Auftrag (hier: Reinigung von Matratzen) angenommen werden kann, ist die Auftragnehmerin in die Arbeitsorganisation der Auftraggeberin eingegliedert.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25.09.2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 12.577,84 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist eine Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 12.577,84 €.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das in den Jahren 2013 und 2014 vor allem die Reinigung von Matratzen zum Gegenstand hatte. Am 05.03.2013 schlossen sie und die am 12.01.1968 geborene Beigeladene zu 1), die ein Dienstleistungsunternehmen für Bürotätigkeiten angemeldet hat (Gewerbeanmeldung vom 30.09.2009), eine Vereinbarung, wonach die Beigeladene zu 1) das Akquirieren und Gewinnen neuer Kunden übernimmt (Bl 31 V-Akte). Die Vereinbarung lautet wie folgt:

Vereinbarung

Zwischen S. oHG

 und   

R. H. 

K.-Str. 1

F.-Str. 13

.... S.

.... D.

Frau H. übernimmt auf selbstständiger Basis das Akquirieren und gewinnen von neuen Kunden. Zur Neukundengewinnung bekommt Frau H. ein Werbebudget pro Monat in Höhe von 300 € bis max. 500 € zur Verfügung gestellt. Dieses dient dazu, Werbemaßnahmen in schriftlicher Form zu erstellen, um neue Interessenten zu kontaktieren. Enthalten im Budget sind Ausdruck, kuvertieren und Versandkosten. Frau H. ist für das abarbeiten der von ihr selbst gewonnen Interessenten alleine zuständig. Die Kontaktaufnahme kann telefonisch wie auch persönlich stattfinden. Alle notwendigen Informationen stellt S. zur Verfügung. Frau H. kann je nach Einsatz selbst bestimmen, ob ihre Arbeit vom Büro in S. oder vom eigenen Büro aus getätigt wird. Im Büro S. von S. stehen ihr 1 Computer und 1 Telefonanlage zur Verfügung. Ferner eine Falz- und Kuvertiermaschine ebenso wie Drucker für eigene Werbemaßnahmen.

Es wird vereinbart, alle durch Fr. H. gewonnen Kunden bei denen ein Termin zur Reinigung oder zum Verkauf stattfinden, wird vergütet. Durch ihre Akquisition und telefonieren aufgewendeten Stunden können pro Woche mit maximal 35 Stunden zu je 14,00 € abgerechnet werden, wenn mindestens 55 neue Kunden gewonnen werden. Wird die Terminanzahl unterschritten, werden prozentual die Stunden um die fehlenden Termine gekürzt. Beispiel: 140 Stunden Arbeit und 55 Termine = 14 € X 140 Std. = 1960,00 € / gleiche Zeit aber bloß 30 Termine = 14 € X 77 Std. = 1078,00 €. Es werden pro Termin gerundet 35 € angenommen. Bei Überschreitung der Termine erfolgt keine höhere Auszahlung. Für Werbemaßnahmen drucken, kuvertieren und versenden können pro geleistete Arbeitsstunde 14 € berechnet werden. Bei der Akquisition erarbeitet sich Fr. H. Listen, die Sie abtelefoniert und somit in den Provision Anspruch mit Std. mtl. einfließt. Bei Telefonaten mit bestehenden Kunden wir ihr die Arbeitsstunde ebenfalls mit 14 € vergütet. Hierüber ist gesondert eine Aufstellung der geleisteten Stunden erforderlich. In den Monaten August, Dezember und Januar wird Fr. H. nur nach vereinbartem Termin in der Neukundengewinnung bezahlt. Pro Termin werden 35,00 € bezahlt.

Frau H. steht das Equipment von S. zur Ausführung ihrer Arbeiten zur Verfügung. Ihre Telefonzeiten und Akquisitionen richten sich nach den Geschäftszeiten des örtlichen Einzelhandels. Keine Telefonate vor 8.30 Uhr und nach 20 Uhr. Ansonsten kann Fr. H. ihre Arbeitskraft frei einsetzen und mit S. nach vorgegebenem Provisionsanspruch abrechnen. Die Provisionen sind monatlich abzurechnen und werden auf das Konto Kreissparkasse G., BLZ ... Kt. Nr. ... Frau H. versichert, für mehrere Arbeitgeber beschäftigt zu sein.

Die Tätigkeit begann im Februar 2013 und wird bis heute ausgeübt.

Am 20.11.2015 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Prüfungszeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2014 durch und befragte die Beigeladene zu 1) zu ihrer Tätigkeit im Zeitraum vom 01.0...

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