Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Kriegsopferversorgung. Hinterbliebenenrente. Ursächlichkeit einer Weltkriegsverletzung für das Versterben im Alter. Amputation des linken Unterschenkels. Spätfolge. grundsätzlich keine Überlastungsschäden bei einseitig Beinamputierten. Heranziehung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in den AHP nach deren Ablösung durch die Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Abgrenzung zu Altersschäden. Blutvergiftung durch Wundliegen infolge von Bettlägerigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Überlastungsschaden aufgrund einer Amputation durch Fehlbelastung beim Gehen kann ausgeschlossen werden, wenn zusätzlich degenerative Verschleißerscheinungen an anderen Wirbelsäulenabschnitten bestehen, wo sich eine solche Fehlbelastung nicht auswirken kann.
2. Die Vorgaben zu Amputationsfolgen der bis zum 31.12.2008 heranzuziehenden AHP geben nach wie vor den wissenschaftlichen Erkenntnisstand zur Beurteilung von mittelbaren Amputationsschäden wieder, so dass die in Teil C, Nr. 129 Abs 2 dargestellte wissenschaftliche Lehrmeinung, dass selbst bei einseitig Beinamputierten Überlastungsschäden an der unversehrten paarigen Extremität grundsätzlich nicht entstehen können, auch nach Inkrafttreten der VG ab dem 01.01.2009 weiterhin maßgeblich ist, obwohl diese dort nicht mehr genannt wird.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. September 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) streitig.
Der 1927 in A. geborene Versorgungsempfänger und Gemeinderechner (Beamter der Besoldungsstufe A7) H. S. erlitt als Pionier der Wehrmacht am 27. April 1945 in einem Rückzugsgefecht bei U. eine Maschinengewehrverwundung am linken Unterschenkel, dessen Amputation in der Folge notwendig war. Mit Bescheid vom 4. Oktober 1951 erkannte einer der Rechtsvorgänger des Beklagten als kriegsbedingte Schädigungsfolgen nach dem BVG einen Teilverlust des linken Unterschenkels mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 an und gewährte eine Grundrente nach dieser MdE.
Ein Antrag von H. S. im Jahr 1987, die Erhöhung der MdE wegen eines Überlastungsschadens des rechten Beines - hier des rechten Hüftgelenks - zu erR.n, blieb nach einem versorgungsärztlichen Gutachten von Dr. M.-B. vom 15. Januar 1988 erfolglos, in dem zwischenzeitlich festgestellte degenerative Wirbelsäulenveränderungen und ein rechtsseitiges Hüftgelenksleiden nicht als (mittelbare) Schädigungsfolge eingestuft wurden, da diese konstitutionell und altersbedingt seien. Ein „Überlastungsschaden“ an den Gelenken der anderen Extremität sei aus versorgungsärztlicher Sicht unwahrscheinlich. Die darauf gestützte Ablehnung der Neufeststellung des Versorgungsanspruches erwuchs in Bestandskraft, nachdem gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 17. März 1988 der gegen sie erhobene Widerspruch zurückgewiesen wurde. Dr. K. legte in seiner Stellungnahme unter Auswertung der Röntgenunterlagen dar, dass auch an der Halswirbelsäule degenerative Veränderungen vorhanden seien. Da sich dort eine Fehlbelastung durch die Prothese nicht auswirken könne, könne eine solche insgesamt nicht als wesentliche Bedingung und damit als Ursache für die degenerativen Veränderungen angesehen werden.
Das Landratsamt O. erhöhte mit Bescheid vom 13. April 2011 in der Fassung des Bescheides vom 26. März 2012 den Grad der Behinderung (GdB) von bisher 50 auf 100 ab dem 15. Dezember 2010 und stellte die Merkzeichen B, H, aG und RF fest, nachdem in einem Befund des Hausarztes Dr. B. vom 31. Januar 2011 eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung des linken Knies und des linken Hüftgelenks bescheinigt wurden. Diese seien hervorgerufen durch fehlende regelmäßige Bewegung. Das Gangbild sei mit Gehhilfen lange Zeit stabil gewesen. In letzter Zeit sei durch die aufgetretenen neurologischen Störungen eine massive Verschlechterung des Gangbildes mit Retropulsionsneigung, Geh- und Stehunsicherheit und ausgeprägter Sturzneigung aufgetreten. H. S. befand sich vom 15. bis 24. Dezember 2010 wegen einer Mundastschwäche rechts und Aphasie mit Wortfindungsstörung und einem daraus abgeleiteten Verdacht auf eine passagere Hirnstammdurchblutungsstörung in stationärer Behandlung im O., das mit Befundbericht vom 27. Dezember 2010 eine ausgeprägte kalzifizierende Arteriosklerose der basalen hirnversorgenden Gefäße feststellte. Nach dem Pflegegutachten vom 29. Dezember 2010 war H. S. nach passagerer Hirnstammdurchblutungsstörung und demenzieller Entwicklung ein Gehen und Stehen nicht möglich, so dass ein Transfer in und aus dem Bett nur mit Fremdhilfe möglich und ein Rollstuhl notwendig sei und seit Dezember 2010 Pflegestufe II bestehe.
Am 3. November 2013 verstarb H. S. in B.. In der Todesbescheinigung von Dr. R. vom 4. November 2013 gab dieser als unmittelbare Todesur...