Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögensverwertung. Austrittsleistung auf Freizügigkeitskonto aus der schweizerischen Pflichtversicherung zur beruflichen Altersvorsorge. keine Gleichstellung mit Riester-Rente. zusätzlicher Freibetrag nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB 2. besondere Härte nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2. keine Verletzung von Gemeinschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Die nach schweizerischem Recht im Rahmen der 2. Säule beim Verlassen der Vorsorgeeinrichtung vor Eintritt des Versorgungsfalls gewährte und einem Freizügigkeitskonto gutgeschriebene Austrittsleistung, welche sich der Arbeitnehmer beim endgültigen Verlassen der Schweiz bis 30.6.2007 bar auszahlen lassen kann, stellt verwertbares und bei der Arbeitslosenhilfe zu berücksichtigendes Vermögen dar.
2. Eine Gleichstellung dieser Austrittsleistung mit der sogenannten Riesterrente ist verfassungsrechtlich nicht geboten.
3. Die Austrittsleistung gehört zu den in § 12 Abs 2 Nr 3 SGB 2 aufgeführten Geldwerten der Altersvorsorge dienenden Ansprüchen mit der Folge, dass der Freibetrag zu verdoppeln ist.
4. Zum Begriff der besonderen Härte in § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2.
Orientierungssatz
1. Eine spätere Änderung der Form der Erhaltung des Vorsorgeschutzes in der Schweiz in eine erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres auszahlbare Freizügigkeitspolice wirkt nach schweizerischem Recht nicht auf den hier maßgebenden Tag der Beantragung von Arbeitslosenhilfe zurück.
2. Die Berücksichtigung des die Freibeträge überschreitenden Vermögens auf dem Freizügigkeitskonto verstößt auch nicht gegen das EGFreizügAbk CHE oder die EWGV 1408/71.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi) vom 5. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004 zahlen muss.
Der 1959 geborene Kläger war vom 1. Juli 1990 bis 30. Juni 1995 bei der BAK Konjunkturforschung B. AG als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. In dieser Zeit war er in der gesetzlichen schweizerischen Rentenversicherung versichert. Nach einem Auslandsaufenthalt vom 5. November 1995 bis 17. März 1996 war der Kläger sodann wieder in versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen in der Schweiz beschäftigt, nämlich vom 1. Juni 1997 bis 31. Dezember 1998 bei der C.-Bank B. als Portfoliomanager und vom 1. Januar 1999 bis 30. September 2002 bei der H. P. Versicherung in B. als Berater für Pensionskassen. Anschließend bezog der Kläger vom 1. Oktober 2002 bis 21. September 2003 Arbeitslosengeld (Alg). Nach Ausübung einer selbständigen Tätigkeit als Finanzberater vom 1. Oktober 2003 bis 31. Mai 2004 erhielt der Kläger nochmals vom 1. Juni bis 4. Juni 2004 Alg in Höhe von zuletzt 322 € wöchentlich (wöchentliches Bemessungsentgelt 1050 €, Leistungsgruppe A, Kindermerkmal 0); danach war der Anspruch erschöpft.
Am 1. Juni 2004 beantragte der Kläger bei der Agentur für Arbeit B. S. Alhi. In diesem Antrag gab der Kläger unter Vorlage entsprechender Bescheinigungen ein Konto bei C. C. mit einem Stand am 2. März 2004 von 114,22 €, ein Extra-Konto bei der A. D. D.-bank AG mit einem Stand von 260,64 € zum 3. Juni 2004 sowie - ohne Belege - ein Sparkassen-Konto mit einem Betrag von 385 € und ein Girokonto mit einem Betrag von 1096 € an. Des Weiteren gab der Kläger unter Vorlage eines Kontoauszugs vom 31. Dezember 2003 ein Freizügigkeitskonto bei der Bank C. in B. mit einem Kontostand am 31. Dezember 2003 von 52.136,25 Schweizer Franken (= 33.290.74 €) an. Hierzu teilte er mit, es handele sich um “Pensionskassengeld als zweite Säule„ beruflicher Altersvorsorge in der Schweiz. Durch Bescheid vom 22. Juni 2004 lehnte die Agentur für Arbeit B. S. den Leistungsantrag ab. Es sei verwertbares Vermögen in Höhe von 35.154,74 € vorhanden; unter Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe von 8.800 € verbleibe somit zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 26.354,74 €, sodass kein Anspruch auf Alhi bestehe. Hiergegen erhob der Kläger am 2. Juli 2004 Widerspruch. Beim berücksichtigten Vermögen handele es sich überwiegend um Geld, das von ihm in die schweizerische Rentenversicherung einbezahlt worden sei. Die staatliche obligatorische schweizerische Rentenversicherung bestehe u. a. aus der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) nach dem AHV-Gesetz (erste Säule, Umlageverfahren) und der beruflichen Alters- und Hinterlassenvorsorge (zweite Säule, Pensionskasse mit Kapitaldeckungsverfahren) mit einem individuellen Sparkonto. Die deutsche staatliche Rentenversicherung bestehe demgegenüber ausschließlich aus einer Rentenversicherung nach dem Umlageverfahren, vergleichbar mit der schweizerischen AHV. Die AHV sei nur eine Grundsicherung und dem Betrag nach geringer als die deutsche Altersrente. Bei der zwe...