Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht. Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Prognoseentscheidung. Schätzung bei schwankenden Bezügen

 

Orientierungssatz

1. Das maßgebende regelmäßige Arbeitsentgelt iS von § 6 Abs 1 Nr 1 SGB 5 ist das Arbeitsentgelt (§ 14 Abs 1 SGB 4), auf das jemand im Laufe des auf den Beurteilungszeitpunkt folgenden Jahres (nicht notwendig des Kalenderjahres) einen Anspruch hat oder das ihm sonst mit hinreichender Sicherheit zufließen wird. Bei schwankenden Bezügen ist zu schätzen (vgl Großer Senat des BSG vom 30.6.1965 - GS 2/64 = BSGE 23, 129 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO). Regelmäßig in diesem Sinne bedeutet, dass mit hinreichender Sicherheit zu erwartendes Arbeitsentgelt von nicht zu erwartendem (und nicht zu berücksichtigendem) Arbeitsentgelt abgegrenzt werden soll. Unerheblich ist, ob in einzelnen Monaten die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird.

2. Nach der bis 1.2.2007 geltenden Rechtslage kam es bei der Prüfung des § 6 SGB 5 nicht darauf an, ob bei rückschauender Betrachtung die einschlägige Jahresarbeitsentgeltgrenze tatsächlich überschritten wurde. Vielmehr war entscheidend, ob zum Jahreswechsel davon ausgegangen werden musste, dass das von dem Arbeitnehmer für das Folgejahr zu erwartende regelmäßige Arbeitsentgelt die jeweils gültige Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreiten wird.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. April 2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren L 4 R 3332/08 wird endgültig auf € 6.311,76 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Pflichtversicherungsbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Bei der Klägerin, die einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb betreibt, ist der im Jahr 1955 geborene Beigeladene zu 1) als Bauleiter beschäftigt. Zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) besteht weder ein schriftlicher Arbeitsvertrag noch eine schriftliche Zusage von Sonderzahlungen. Ursprünglich wurde mündlich vereinbart, dass das Arbeitsentgelt über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegen sollte, damit der Beigeladene zu 1), der nach seinen Angaben schon seit ungefähr 1990 privat krankenversichert war, weiterhin privat krankenversichert sein konnte.

In den Jahren 2002 bis 2005 erhielt der Beigeladene zu 1) nach den Lohnkonten der Klägerin ein steuerpflichtiges Entgelt in folgender Höhe:

2002: € 41.187,41 (Bruttogehalt € 3.388,29 mit Ausnahme des Monats Juli, in dem € 3.489,54 bezahlt wurden, sowie Sonderzahlungen im Juni in Höhe von € 254,20 und Dezember in Höhe von € 273,73; richtiger Gesamtbetrag danach € 41.288,66),

2003: € 41.766,87 (Bruttogehalt € 3.463,29, Sonderzahlung im Juli: € 207,39),

2004: € 41.003,03 (Bruttogehalt Januar € 2.906,84, Februar bis Dezember € 3.463,29),

2005: € 40.984,48 (Bruttogehalt € 3.463,29 mit Ausnahme des Monats April € 2.888,29, jeweils einschließlich des Anteils des Arbeitgebers für vermögenswirksame Leistungen in Höhe von € 13,29 monatlich).

Diese Jahresbeträge wurden - gerundet - auch der Beklagten gemeldet. Bis 31. Dezember 2005 war der Beigeladene zu 1) privat kranken- und pflegeversichert, seit dem Jahr 2006 ist er bei den Beigeladenen zu 2) und 3) gesetzlich kranken- und pflegeversichert.

Am 10. April 2006 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Die Prüfung betraf den Zeitraum vom 01. Januar 2002 bis 31. März 2006. Mit Bescheid vom 27. April 2006 forderte die Beklagte u. a. für den Beigeladenen zu 1) für das Jahr 2005 Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von € 6.311,76 (Krankenversicherung: € 5.614,98; Pflegeversicherung: € 696,78). Die für den Beigeladenen zu 1) maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze habe, nachdem er im Jahr 2002 wegen Überschreitens der Jahresentgeltgrenze privat krankenversichert gewesen sei, im Jahr 2004 € 41.850,00 und im Jahr 2005 € 42.300,00 betragen. Diese Jahresarbeitsentgeltgrenzen habe der Beigeladene zu 1) jeweils unterschritten. Für das Jahr 2004 könne jedoch von einer Nachberechnung abgesehen werden, da der Beigeladene zu 1) in den Jahren 2002 und 2003 noch Sonderzahlungen erhalten habe und somit auch im Jahr 2004 mit diesen Sonderzahlungen habe rechnen können. Zusammen mit diesen Sonderzahlungen hätte er 2004 die Jahresarbeitsentgeltgrenze knapp überschritten. Für das Jahr 2005 habe eine zuverlässige Schätzung zum Ende des Jahres 2004 jedoch nicht ergeben können, dass das Jahresentgelt 2005 über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegen würde. Das regelmäßige monatliche Entgelt habe im Jahr 2004 € 3.463,29, mithin € 41.559,48 betragen. Der Beigeladene zu 1) habe somit € 740,52 unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze gelegen. Sonderzahlungen für das Jahr 2005 seien nicht mehr zu erwarten gewesen, da er im Jahr 2004 auch keine Sonderzahlungen mehr erhalten habe. Aber selbst mit den betriebsüblichen Sonderzahlungen,...

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