Entscheidungsstichwort (Thema)
Kranken- und Pflegeversicherung. Beitragsbescheid ist Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Berücksichtigung eines monatlichen Grundstipendiums der Studienstiftung des Deutschen Volkes als beitragspflichtige Einnahme. Unwirksamkeit der Nichtberücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen in den Beitragsverfahrensgrundsätzen des GKV-Spitzenverbandes
Orientierungssatz
1. Ein Beitragsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, denn er erschöpft sich nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage, sondern begründet oder verändert inhaltlich ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis (vgl BSG vom 16.2.1984 - 1 RA 15/83 = BSGE 56, 165 = SozR 1300 § 45 Nr 6 und BSG vom 7.7.2005 - B 3 P 8/04 R = BSGE 95, 57 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eintretenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (vgl BSG vom 19.2.1986 - 7 RAr 55/84 = SozR 1300 § 48 Nr 22).
2. Ein monatliches Grundstipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes ist bei der Berechnung der freiwilligen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen, da es sich hierbei um beitragspflichtige Einnahmen handelt.
3. Die in § 3 Abs 1 S 2 Halbs 2 der Beitragsverfahrensgrundsätze geregelte Nichtberücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen wird von der Ermächtigungsgrundlage des § 240 Abs 1 S 1 SGB 5 nicht gedeckt. Daher ist diese Regelung unwirksam. Denn Forschungspauschalen als zweckbestimmte Einnahmen unterfallen bereits nach dem Gesamtzusammenhang nicht § 240 Abs 1 S 2 SGB 5.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (KV) und der sozialen Pflegeversicherung (PV) ab 01.07.2009 streitig.
Die 1982 geborene Klägerin ist ledig und hat keine Kinder. In der Zeit vom 11.06.2007 bis 31.03.2008 war sie aufgrund eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses Mitglied der Beklagten. Im Sommersemester 2008 (beginnend ab dem 01.04.2008) schrieb sich die Klägerin in ihrem 11. Hochschulsemester bei der Universität H. als Promotionsstudentin ein. Zu Beginn ihres Promotionsstudiums hatte sie sich sowohl bei der Studienstiftung des Deutschen Volkes als auch bei der H.-B.-Stiftung um ein Stipendium beworben. Die Studienstiftung des Deutschen Volkes bewilligte zunächst ab dem 01.04.2008 ein Stipendium in Höhe von insgesamt 1.150,-- € (Lebenshaltungsstipendium: 1.050,-- €; Forschungskostenpauschale: 100,-- €). Ab dem 01.10.2008 (Schreiben vom 27.06.2008) bewilligte die H.-B.-Stiftung anstelle des bisher durch die Studienstiftung des Deutschen Volkes gewährten Leistungen ein Grundstipendium in Höhe von monatlich 1 .050,-- € und eine Forschungskostenpauschale in Höhe von monatlich 100,-- €. Im Bewilligungsschreiben vom 27.06.2008 heißt es hierzu, dass die Forschungskostenpauschale zweckgebunden für die Finanzierung von Literatur und Sach- und Reisekosten für die wissenschaftliche Ausbildung sei. Mit Schreiben vom 09.04.2009 verlängerte die H.-B.-Stiftung die Promotionsförderung bis Juni 2010. Die Förderung wurde nochmals bis März 2011 verlängert, wobei die Klägerin weiterhin monatlich insgesamt 1.150,-- € erhielt. In der Zeit vom 01.04.2011 bis 31.08.2011 war die Klägerin mit 50 % der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit als Beschäftigte im wissenschaftlichen Dienst tätig. Aufgrund dessen ist sie seit dem 01 .04.2011 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten.
Nachdem die Klägerin bei der Beklagten zu 1) die freiwillige Mitgliedschaft erklärt hatte, setzte diese - auch für die Beklagte zu 2) - Beiträge zur KV ab dem 01.04.2008 in Höhe von 165,59 € und zur PV in Höhe von 22,42 € (Bescheid vom 01.04.2008, der sich nicht in der vorgelegten Verwaltungsakte befindet) und ab dem 01.08.2008 in Höhe von 165,59 € für die KV und in Höhe von 25,30 € für die PV (Bescheid vom 25.06.2008, der sich ebenfalls nicht in der vorgelegten Verwaltungsakte befindet) fest. Mit Bescheid vom 23.06.2009 (Blatt 13 der VerwAkte) teilte die Beklagte zu 1) der Klägerin mit, dass der Beitragssatz in der KV um 0,6 Prozentpunkte gesenkt worden sei, so dass sich ab dem 01.07.2009 ein monatlicher Beitrag zur KV in Höhe von 164,45 € und zur PV in Höhe von 25,30 € (insgesamt 189,75 €) ergebe. Dieser Bescheid ersetze den bisherigen Beitragsbescheid mit Wirkung zum 01.07.2009. Der neue Beitrag werde zum ersten Mal am 15.08.2009 fällig.
Am 27.11.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten zu 1) die Überprüfung der von ihr ab dem 01.04.2008 entrichteten Beiträge, da das Sozialg...