Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zurückweisung eines wiederholten Antrags nach § 109 SGG. Nichtvorliegen besonderer Umstände für die Anhörung eines weiteren Facharztes. Schwerbehindertenrecht. Gehfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Besondere Umstände, bei denen ein Spezialist auf einem anderen Fachgebiet angehört werden muss (hier Phlebologe), liegen jedenfalls dann nicht vor, wenn sich ein Facharzt (hier Orthopäde) bereits zu den durch die Erkrankung bedingten Auswirkungen auf die Gehfähigkeit geäußert hat.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts F. vom 10. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) und die Feststellung des Merkzeichens “erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr„ (G) im Wege der Verschlimmerung streitig.

Das ehemalige Versorgungsamt F. hatte unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Sozialmedizinerin Dr. L. vom 19.06.2001, in welcher diese als Behinderungen eine Hirnleistungsschwäche und eine seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 40, eine Sehbehinderung mit einem Einzel-GdB von 20 sowie Krampfadern mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt und den Gesamt-GdB mit 50 eingeschätzt hatte, mit Abhilfebescheid vom 21.06.2001 bei der am 11.12.1949 geborenen Klägerin den GdB mit 50 ab 01.09.2000 festgestellt.

Die Klägerin beantragte am 03.12.2008 die Neufeststellung des GdB und die Feststellung diverser Merkzeichen. Das zuständig gewordene Landratsamt B.-H. holte den Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. Dr. M. vom Februar 2009 (rezidivierende Gastritiden, Adipositas, Depression, Varikosis, keine arterielle Verschlusskrankheit) ein und zog den Arztbrief des Orthopäden Dr. W. vom 25.07.2008 (Unterschenkelödem beidseits, Phlebothrombose beidseits, Ausschluss einer Sprunggelenksarthrose beidseits) bei. Dr. M. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19.04.2009 als Behinderungen eine Hirnleistungsschwäche und eine seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 40, eine Sehbehinderung mit einem Einzel-GdB von 20, Krampfadern, eine Lymphstauung beider Beine und ein postthrombotisches Syndrom mit einem Einzel-GdB von 20, eine chronische Magenschleimhautentzündung mit einem Einzel-GdB von 10 sowie eine Funktionsstörung durch Fußfehlform mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB mit 60. Ferner wurde ausgeführt, die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sei nicht erheblich beeinträchtigt. Mit Bescheid vom 27.04.2009 änderte das Landratsamt den Bescheid vom 21.06.2001 ab, stellte den GdB mit 60 seit 03.12.2008 fest und lehnte die Feststellung von Merkzeichen ab.

Hiergegen legte die Klägerin am 04.05.2009 Widerspruch ein. Das Landratsamt holte den Befundbericht des Dr. Dr. M. vom 07.06.2009 (Unterschenkelödeme, Gelenkschmerzen, Schonhaltungen, einige 100 Meter Gehen ohne Unterstützung möglich) ein. Dr. F. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.07.2009 an der bisherigen GdB-Einschätzung fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2009 wies das Regierungspräsidium St. gestützt hierauf den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 07.09.2009 Klage beim Sozialgericht F. erhoben.

Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden Dr. K. vom 06.04.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat eine chronische venöse Insuffizienz mit postthrombotischem Syndrom und deutlicher Ödembildung mit einem Einzel-GdB von 20, eine mittelgradige Varusgonarthrose und eine deutliche Retropatellararthrose beidseits mit einem Einzel-GdB von 20, eine Osteochondrosis dissecans an der medialen Talusrolle rechts mit einem Einzel-GdB von 10, eine Arthrose im Bereich des rechten Vorfußes mit einem Einzel-GdB von 0 sowie chronische rezidivierende Lumbalgien bei mäßigen degenerativen Lendenwirbelsäulen-Veränderungen mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet sowie ausgeführt, es liege ein leicht verlangsamtes Gangbild bei gut durchführbarem Zehen- und Hackengang beidseits vor und die Klägerin könne trotz der Einschränkung ihres Gehvermögens durchaus noch 2 Kilometer in 30 Minuten zurücklegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.12.2010 hat das Sozialgericht die Klage nach vorangegangener Anhörung abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, zu der Hirnleistungsschwäche und der seelischen Störung im Sinne einer depressiven Entwicklung und der Sehbehinderung seien Gesundheitsstörungen an den unteren Extremitäten hinzugekommen, die im Wesentlichen in einer chronisch venösen Insuffizienz mit postthrombotischem Syndrom sowie deutlicher Lymphödembildung und der Notwendigkeit, ständig Kompressionsstrümpfe zu tragen, sowie einer mittelgradigen Varusgonarthrose und einer deutlichen Retropatellararthrose beidseits bestünden. Für die noch recht gering ausgeprägte Bewegungseinschränkung in beiden Kniegelenken sei ein GdB zwischen 10 und 20 gerecht...

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