Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Belastungsgrenze. Einnahmen zum Lebensunterhalt. keine Berücksichtigung von Zuwendungen zur Abdeckung eines schädigungs- oder behinderungsbedingten Mehrbedarfs. Heranziehung einer Beitragserstattung
Orientierungssatz
1. Nicht zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt nach § 62 Abs 2 S 4 SGB 5 gehören zweckgebundene Zuwendungen, die einen besonderen schädigungs- oder behinderungsbedingten Mehrbedarf abdecken sollen, wie zB Pflegegeld, Blindenzulage oder die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.
2. Der Heranziehung einer Beitragsrückerstattung zu den jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt steht § 62 Abs 2 S 4 SGB 5 nicht entgegen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. September 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger 12,04 € wegen zu viel gezahlter Zuzahlungen für Leistungen der Krankenversicherung zu erstatten hat.
Der 1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. In der Zeit vom 01.10.1998 bis 31.12.2003 war er von Zuzahlungen zu Leistungen der Krankenversicherung befreit.
Am 11.02.2004 beantragte der Kläger die Befreiung von Zuzahlungen für das Jahr 2004. Er gab an, Leistungen vom Arbeitsamt seien beantragt. Es sei jedoch ein Widerspruchsverfahren anhängig, das Jahre dauern könne.
Die Beklagte ermittelte, dass der Kläger im Jahr 2004 bislang 10,- € Praxisgebühr geleistet hatte.
Mit Bescheid vom 17.02.2004 lehnte die Beklagte daraufhin zum augenblicklichen Zeitpunkt die Befreiung von Zuzahlungen ab, da die geleisteten Zuzahlungen in Höhe von 10,- € die Belastungsgrenze, die gesetzlich festgelegt worden sei und grundsätzlich 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt, für schwerwiegend chronisch Kranke 1 % betragen würde, nicht überschreiten würden.
Im Rahmen seines hiergegen erhobenen Widerspruches legte der Kläger eine Verdienstabrechnung des Monates März 2003 über 320,80 € brutto und eine Bescheinigung, wonach er am 12.01.2004 die Praxisgebühr entrichtet hat, vor. Er teilte mit, er habe seit 01.04.2003 keine regelmäßigen Bruttoeinnahmen. Seinen Lebensunterhalt bestreite er aus Ersparnissen und aus von der Beklagten zurückbezahlten freiwilligen Beiträgen in Höhe von 2.942,52 €. Seine jährliche Belastungsgrenze errechne sich aus dem im März 2003 erzielten Arbeitsentgelt. Sie betrage 2 % aus 320,80 €, mithin 6,42 €.
Mit Bescheid vom 05.03.2004 lehnte die Beklagte erneut die Befreiung von der Zuzahlung ab. Sie führte aus, die jährliche Belastungsgrenze belaufe sich auf 71,28 €. Seitens des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales (BMGS) entspreche es der gesetzlichen Intention, dass bei Personen, z. B. ohne nachweisbare Einnahmen oder mit Einnahmen unterhalb des Regelsatzes, generell der Regelsatz nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) als Mindestbetrag für die Berechnung der Belastungsgrenze angesetzt werde. In Baden-Württemberg betrage der Regelsatz zur Zeit 297,- € monatlich, was jährlichen Bruttoeinnahmen von 3.564,- € entspreche. Daraus ergebe sich eine 2 %-ige Belastungsgrenze von 71,28 € jährlich.
Hiergegen erhob der Kläger erneut Widerspruch. Er wies darauf hin, dass zur Ermittlung der Belastungsgrenze die Bruttoeinnahmen als Berechnungsgrundlage herangezogen würden (§ 62 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)). Die Auslegung der Beklagten hätte zur Konsequenz, dass Eingriffe in das Vermögen zugelassen würden. Seine jährlichen Bruttoeinnahmen zwischen dem 01.03.2003 und 29.02.2004 würden sich nur auf 320,80 € belaufen, weshalb seine Belastungsgrenze mit 6,42 € festzusetzen sei.
Die Beklagte händigte dem Kläger einen Auszug aus der "Gemeinsamen Verlautbarung zu Fragen der Umsetzung einzelner Leistungsvorschriften" der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 19.01.2004 aus. Danach ist als Mindesteinnahmegrenze der BSHG-Eckregelsatz zu berücksichtigen, sofern keine oder niedrigere Einnahmen erklärt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der nach dem BSHG geltende Regelsatz solle als Mindesteinkommen jedem Versicherten zur Verfügung stehen. Würde die vom Kläger errechnete Belastungsgrenze herangezogen werden, hätte er weniger Zuzahlungen zu leisten als ein Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG. Dass der Regelsatz generell als Mindestbetrag für die Berechnung der Belastungsgrenze seitens der Krankenkassen angesetzt werde, entspreche nach dem Kurzprotokoll über ein Gespräch der Spitzenverbände der Krankenkassen mit dem BMGS vom 06.01.2004 der gesetzlichen Intention.
Gegen das Vorgehen der Beklagten hatte der Kläger bereits am 19.03.2004 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zur Begründung hatte er noch einmal ausgeführt, dass sich seine Bruttoeinnahmen seit 01.03.2003 auf insgesamt 320,80 € belaufen würden und da...