Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragshaftung gem § 150 Abs 3 SGB 7 iVm § 28e Abs 3a SGB 4. Haftungsgrenzwert. Schätzung des Gesamtwertes aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen gem § 28e Abs 3d SGB 4. Anwendung des § 99 GWB. funktionaler Zusammenhang in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht. verschiedene Doppelhaushälften und Reihenhäuser. keine Exkulpation gem § 28e Abs 3b SGB 4. Nichtvorliegen einer Unbedenklichkeitsbescheinigung. Verschulden. Nichterheblichkeit hypothetischer Umstände

 

Orientierungssatz

1. Zu den Voraussetzungen, unter denen Bauvorhaben (hier: zwei Doppelhaushälften und drei Reihenhäuser) als in Auftrag gegebene Bauleistungen für ein Bauwerk gem § 28e Abs 3d SGB 4 iVm § 3 VgV zur Schätzung des Gesamtwertes im Rahmen der Beitragshaftung gem § 150 Abs 3 SGB 7 iVm § 28e Abs 3a-f SGB 4 anzusehen sind.

2. Was unter Bauleistungen iS des § 3 VgV zu verstehen ist, kann aus § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) abgeleitet werden.

3. Für die Frage der Exkulpation gem § 28e Abs 3b SGB 4 kommt es nur darauf an, worauf der dem Verschuldensvorwurf Ausgesetzte tatsächlich vertraut hat, nicht, worauf er hätte vertrauen können, wenn er sich anders verhalten hätte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.07.2010; Aktenzeichen B 2 U 7/10 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September 2006 und der Bescheid vom 14. September 2005 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 27. Oktober 2005 und 2. Dezember 2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2006 werden abgeändert. Die Klägerin wird verurteilt, 814, 12 € an die Beklagte zu bezahlen. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin und der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte und die Klägerin tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen und des Revisionsverfahrens je zur Hälfte.

 

Tatbestand

Im Streit steht noch die Haftung der Klägerin für Beiträge der ... GmbH in Höhe von 1.362,72 €.

Die Klägerin ist ein Unternehmen des Baugewerbes. Sie beauftragte die ... GmbH jedenfalls in den Jahren 2003 und 2004 als Nachunternehmerin mit der Erbringung von Bauleistungen. Gegenüber der ... GmbH setzte die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 19. April 2004 einen Gesamtbeitrag für das Jahr 2003 in Höhe von 4.545,89 € auf Grundlage einer geschätzten Lohnsumme von 130.800,- € fest, die in Raten von je 1.265,- € (bis 17. Mai bzw. 15. Juli 2004) und einer Rate zu 1.264,- €, fällig am 15. Oktober 2004, zu zahlen waren. Auf die insoweit fälligen Vorschusszahlungen wurde ein Saldovortrag in Höhe von 2.264,- € angerechnet. Mit Beitragsbescheid vom 21. April 2005 setzte die Beklagte den Beitrag für die ... GmbH für das Jahr 2004 mit 2.689,11 € fest auf Grundlage der ebenfalls geschätzten Lohnsumme von 76.400,- € (7/12 der Lohnsumme aus 2003). Bis August 2003 kam die ... GmbH ihren Zahlungspflichten gegenüber der Beklagten nach.

Die NDB-Bau GmbH stellte der Klägerin für die von ihr geleisteten Arbeiten folgende Rechnungen:

Rechnung vom 6. Mai 2003 - 2.187,76 € (netto 1.886,- €)

Rechnung vom 6. Mai 2003 - 2.092,64 € (netto 1.804,- €)

Rechnung vom 26. Mai 2003 - 6.500,- € (netto 5.603,45 €)

Rechnung vom 2. Juli 2003 - 6.000,- € (netto 5.172,42 €)

Rechnung vom 1. Oktober 2003 - 19.000,- € (netto 16.380,- €)

Rechnung vom 1. Dezember 2003 - 6.264,- € (netto 5.400,- €)

Rechnung vom 1. Dezember 2003 - 10.683,60 € (netto 9.210,- €)

Rechnung vom 19. Dezember 2003 - 14.697,20 € (netto 12.670,- €)

Rechnung vom 19. Dezember 2003 - 2.784,- € (netto 2.400,- €)

Rechnung vom 10. Februar 2004 - 6.217,60 € (netto 5.360,- €)

Rechnung vom 10. Februar 2004 - 5.266,40 € (netto 4.540,- €)

Mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 4. Mai 2005 wurde der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der ... GmbH mangels Masse abgewiesen.

Mit Anhörungsschreiben vom 3. August 2005 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass sie nach § 150 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) i. V. m. § 28 e Abs. 3 a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für die Unfallversicherungsbeiträge ihres Auftragnehmers ... GmbH wie ein selbstschuldnerischer Bürge hafte. Die Haftungshöhe orientiere sich an der Auftragshöhe und der Dauer der Tätigkeit. Die Klägerin wurde aufgefordert, Rechnungsunterlagen aus dem Auftragsverhältnis mit der ... GmbH zur Verfügung zu stellen.

Mit Haftungsbescheid vom 14. September 2005 machte die Beklagte eine Haftungssumme von 2.668,42 € geltend, errechnet aus einer beitragspflichtigen Lohnsumme von 35.212,94 €. Diese Haftungssumme der Klägerin errechnete die Beklagte, indem sie die von der ... GmbH an die Klägerin im Jahr 2003 erstellten Nettorechnungsbeträge zu 50% der Beitragsberechnung zugrunde legte.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und brachte vor, in den Rechnungen seien auch Kosten für Maschinen und Fahrzeuge enthalten. Diese müssten in jedem Fall unberücksichtigt bleiben. Es sei auch nicht zu akzeptieren, dass die von der ... GmbH bezahlten Beiträge...

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