Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Ablehnung eines Nachbesetzungsverfahrens. Entschädigung nach § 103 Abs 3a S 13 SGB 5. Bindung der Kassenärztlichen Vereinigung an Zulassungsausschuss. Prüfungsgegenstand. fortführungsfähige Praxis im Umfang des nachzubesetzenden Versorgungsauftrags
Leitsatz (amtlich)
Hinsichtlich der Frage, "ob" eine Entschädigung nach § 103 Abs. 3a Satz 13 SGB V zu zahlen ist, hat die Kassenärztliche Vereinigung keine eigene Prüfungskompetenz. Sie ist an die Entscheidung und die Feststellungen des Zulassungsausschusses im Verfahren nach § 103 Abs. 3a Satz 1 SGB V gebunden. Prüfungsgegenstand des Verfahrens beim Zulassungsausschuss ist auch die Frage, ob eine fortführungsfähige Praxis im Umfang des nachzubesetzenden Versorgungsauftrags vorliegt. Wenn dies nicht der Fall ist, ist der Antrag schon deshalb abzulehnen; in diesem Fall kommt eine Entschädigung nicht in Betracht.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.07.2022 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht eine Entschädigung wegen der Ablehnung eines Nachbesetzungsverfahrens für die Praxis der Klägerin.
Die Klägerin war seit 1993 als Fachärztin für Allgemeinmedizin am Standort B1 mit vollem Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Ihre Praxis führte sie im Rahmen einer Praxisgemeinschaft mit L1 und mit der Ärztin M1. Am 30.09.2016 stellte sie ihre Praxistätigkeit am Standort F1 ein.
Am 21.02.2016 beantragte die Klägerin beim Zulassungsausschuss für Ärzte (ZA) die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für ihre Vertragsarztpraxis mit vollem Versorgungsauftrag.
Am 16.06.2016 erklärte die Klägerin wegen einer anderweitigen Tätigkeit in Rheinland-Pfalz gegenüber dem ZA den Verzicht auf die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung mit Wirkung zum 30.09.2016 und beantragte die Frist für das Wirksamwerden des Verzichts in Bezug auf den hälftigen Versorgungsauftrag auf den 30.06.2016 zu verkürzen, hilfsweise den Versorgungsauftrag ab dem 01.07.2016 auf einen hälftigen Versorgungsauftrag zu beschränken.
Im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung beim Nachbesetzungsverfahren wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass sie derzeit nur einen hälftigen Versorgungsauftrag ausführe. Ein voller Versorgungsauftrag werde nicht ausgeführt. Infolgedessen könne nach Auffassung der Beklagten auch nur ein Nachbesetzungsverfahren über einen hälftigen Versorgungsauftrag durchgeführt werden. Die Klägerin hielt unter Hinweis auf eine Arbeitsunfähigkeit, die aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 07.05.2015 bis 13.09.2015 eingetreten sei, an ihrer Auffassung, das Nachbesetzungsverfahren sei für einen vollen Versorgungsauftrag durchzuführen, fest.
Mit Beschluss vom 22.06.2016, ausgefertigt am 17.11.2016, erklärte der ZA die Verzichtserklärung der Klägerin für unzulässig und beschränkte den Versorgungsauftrag der Klägerin ab dem 01.07.2016 auf die Hälfte. Das Vorgehen der Klägerin stelle eine Aufspaltung des Versorgungsauftrages dar, welcher aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Vertragsarztsitzes nach Auffassung des ZA nicht möglich sei.
Mit weiterem Beschluss vom selben Tag (Sitzung vom 22.06.2016, Ausfertigung am 17.11.2016) lehnte der ZA den Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens der Vertragsarztpraxis der Klägerin ab. Der Planungsbereich F1 sei für Hausärzte von Zulassungsbeschränkungen betroffen. Die zur Nachbesetzung gehörte Beklagte habe mitgeteilt, dass nach Prüfung der Versorgungssituation am Vertragsarztsitz sowie im Umkreis des Praxissitzes empfohlen werde, dem Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens lediglich im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrags zu entsprechen. Die Prüfung des Leistungsumfangs der Praxis der Klägerin habe ergeben, dass die durchschnittlichen Fallzahlen der Klägerin in den Quartalen 4/2014 bis einschließlich 4/2015 auch unter Berücksichtigung der zeitweisen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht den Erfordernissen der sich aus einer vollen Zulassung ergebenden Verpflichtung für Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung zu stehen entspreche. Die Klägerin habe teilweise nur eine Fallzahlenfallzahl von ca. 18 % der Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe der Hausärzte im Zeitraum von mindestens 5 Quartalen erreicht. Daraus sei zu folgern, dass im Hinblick auf den vollen Versorgungsauftrag der Klägerin diese nicht mehr über einen Patientenstamm verfüge, der einem vollen Versorgungsauftrag entspreche. Daher liege im Ergebnis keine fortführungsfähige Praxis vor. Es fehle an einem ausreichenden Praxissubstrat. Die Zulassung selbst gehöre nicht zu einem übergabefähigen Praxissubstrat. Dieser Einschätzung schließe sich der ZA an. Im Falle der Klägerin fehle es an einem übergabefähigen Praxissubstrat. Das Praxissubstrat sei definiert durch den Besitz ...