Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung. Handlungsgehilfe. Vertriebsbeauftragter Frucht. Beschäftigung und Wohnort im Bundesgebiet. Anstellung bei Schweizer Unternehmen. Versicherungspflichtverhältnis. Gleichstellung eines ausländischen mit einem inländischen Insolvenzereignis. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein deutscher Staatsangehöriger, der als Handlungsgehilfe - obschon bei einem in der Schweiz beheimateten Unternehmen angestellt - im Bundesgebiet wohnt und ausschließlich dort tätig ist, steht in einem Versicherungspflichtverhältnis gem § 24 SGB 3.
2. Die Gleichstellung eines ausländischen Insolvenzereignisses mit einem Insolvenzereignis in Deutschland erreicht nur dann die vom Gesetzgeber gewollte Wirkung, wenn an das Vorliegen einer Beschäftigung im Inland keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
3. Zur Frage der Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit bei einem mit der Vermittlung von Geschäften für einen Unternehmer Betrauten, der keinerlei unternehmerisches Risiko zu tragen hat und einer nicht vernachlässigbaren Weisungsgebundenheit unterliegt.
Normenkette
SGB III § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 1 S. 1, § 165 Abs. 1 S. 3, § 183 S. 2; SGB IV § 3 S. 1, §§ 5-6, 7 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1, 5 Sätze 1, 3, § 11; HGB §§ 59, 84 Abs. 1 S. 2; SGG § 130 Abs. 1 S. 1; VO (EWG) Nr. 1408/71; VO (EG) Nr. 883/2004; VO (EWG) Nr. 574/72; VO (EG) Nr. 1244/2010; VO (EG) Nr. 465/2012; VO (EG) Nr. 1224/2012; VO (EU) Nr. 1231/2010; RL Nr. 2008/94/EG
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. April 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob Insolvenzgeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu leisten ist.
Der 1958 geborene Kläger deutscher Staatsangehörigkeit war ab dem 1. März 2011 bei der F. Suisse AG mit Sitz in St. (Schweiz) als “Head of Expansion Europe" beschäftigt. In dieser Funktion war er für den Vertrieb von Fruchtmark sowie die Verbreitung sogenannter “Smoothies" (Ganzfruchtgetränke) hauptsächlich auf dem deutschen Markt verantwortlich. Hinsichtlich des genauen Inhalts und Umfangs seiner Beschäftigung wird ergänzend auf den Arbeitsvertrag vom 12. Januar 2011 (Bl. 24 ff. der SG-Akte) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2014 (Bl. 30 f. der SG-Akte) verwiesen.
Nachdem der Kläger seinen Lohn für die Monate Juni und Juli 2012 nicht erhalten hatte, kündigte er mit Schreiben vom 23. Juli 2012 sowie 1. August 2012 das Beschäftigungsverhältnis bei der F. Suisse AG fristlos.
Am 9. November 2012 eröffnete das Kantonsgericht N. über die F. Suisse AG infolge Bilanzdeponie den Konkurs (vgl. Schreiben des Betreibungs- und Konkursamtes N. vom 16. November 2012; Bl. 22 der SG-Akte). Am 16. November 2012 wurde die F. Suisse AG liquidiert und aufgelöst (vgl. Internet-Ausdruck vom 16. April 2014; Bl. 23 der SG-Akte).
Am 22. November 2012 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Insolvenzgeld wegen ausstehender Arbeitsentgeltansprüche.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus dem Antrag und der beigefügten Gehaltsabrechnung gehe hervor, dass die Sozialversicherungsbeiträge nach schweizerischem Recht berechnet und an die schweizerischen Träger der Sozialversicherung abgeführt wurden. Aus diesem Grund könne nicht von einem inländischen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden. Zuständig sei nicht der deutsche, sondern der schweizerische Leistungsträger.
Gegen den Ablehnungsbescheid erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2013 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Am 19. März 2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, es liege eine Inlandsbeschäftigung vor. Er sei zwar bei einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland beschäftigt gewesen, die tatsächlichen und rechtlichen Interessen begründeten allerdings ein im Schwerpunkt in der inländischen Rechtsordnung gegründetes Beschäftigungsverhältnis. Sein Arbeitgeber habe von der Schweiz aus keinerlei wirtschaftliche Aktivitäten entwickelt. Er habe nicht nur in Deutschland gewohnt, sondern auch ausschließlich von dort aus gearbeitet.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat sich im Wesentlichen auf die Begründung des angegriffenen Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2013 berufen. Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen, der Betrieb der F. Suisse AG sei ausschließlich in der Schweiz organisiert gewesen, so dass der schweizerische Sozialversicherungsträger leistungspflichtig sei.
Mit Urteil vom 28. April 2014 hat das SG der Klage stattgegeben. Der Bescheid vom 5. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2013 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Der ...