Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Verjährung. Hemmung. Ausdehnung des Prüfungszeitraumes

 

Leitsatz (amtlich)

Die Hemmung der Verjährung nach § 25 Abs 2 S 2 SGB 4 erfasst nur Beiträge, auf die sich die Prüfung beim Arbeitgeber (§ 28p SGB 4) erstreckt. Wird der Prüfungszeitraum entgegen der ursprünglichen Ankündigung auch auf einen früheren Zeitraum ausgedehnt, erstreckt sich die Prüfung auf den früheren Zeitraum, sobald dies für den Arbeitgeber erkennbar ist.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.02.2010 und der Bescheid der Beklagten vom 02.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2007 aufgehoben, soweit Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.01.2002 bis 30.11.2002 gefordert werden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 80 %, die Beklagte 20 % der Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) bis 3).

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 23.310,32 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Beigeladene zu 1) im Zeitraum vom 01.01.2002 bis 30.09.2006.

Der Kläger ist Rechtanwalt und seit 1999 alleiniger Inhaber der Kanzlei D. und N.. In der Kanzlei war seit 1981 die Beigeladene zu 1), geboren 1948, als Sekretärin beschäftigt. Neben ihr war zeitweise eine weitere Person sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit der Beigeladenen zu 1) lag bei 30 Stunden pro Woche. Das sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt betrug im streitgegenständlichen Zeitraum jährlich unverändert 29.824,00 €. Der Kläger entrichtete in dieser Zeit für die Beigeladene zu 1) Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung, aber keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung.

Die Beigeladene zu 1) war bei der KKH gesetzlich krankenversichert. Wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze kündigte sie ihre Mitgliedschaft zum 31.12.1989. Die KKH bestätigte das Ausscheiden mit Schreiben vom 09.03.1990. Seither ist sie bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert. Nebenberuflich war die Beigeladene zu 1) bis 31.01.2004 als selbständige Unternehmensberaterin tätig.

Die Beklagte führte beim Kläger Betriebsprüfungen nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bereits in den Jahren 1997 (Prüfzeitraum 01.01.1993 bis 31.12.1996), 2001 (Prüfzeitraum 01.01.1997 bis 31.01.1999) und 2003 (Prüfzeitraum vom 01.02.1999 bis 31.12.2002) durch. Es ergaben sich jeweils keine Beitragsnachforderungen. Die letzte Prüfung fand in Form einer Vorlageprüfung statt.

Im Jahr 2006 leitete die Beklagte eine erneute Betriebsprüfung beim Kläger ein. Hierzu wurde der Kläger mit Schreiben vom 14.09.2006 von der Beklagten angeschrieben. Die Beklagte benannte darin den Prüfzeitraum vom 01.01.2003 bis 31.12.2004. Der im Erhebungsfragebogen zur Vorbereitung der Vorlageprüfung genannte Prüfzeitraum reichte vom 01.01.2003 bis 31.12.2006. Der vom Kläger ausgefüllte Fragebogen ging am 25.10.2006 bei der Beklagten ein. Im November 2006 wurde der Kläger aufgefordert, weitere Angaben zu dem Zeitraum ab 2003 zu machen. Der Kläger antwortete hierauf mit Schreiben vom 13.12.2006. Im Januar 2007 schrieb die Beklagte die Beigeladene zu 1) an und bat um die Vorlage von Unterlagen für die Zeit ab 2003. Mit Schreiben vom 09.02.2007 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Nachforderung von Beiträgen für die Zeit vom 01.01.2002 bis 30.09.2006 an.

Mit Bescheid vom 02.04.2007 forderte die Beklage von dem Kläger Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Beigeladene zu 1) für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 30.09.2006 in Höhe von insgesamt 23.310,32 €. Die vom 16.11.2006 bis 29.03.2007 durchgeführte Betriebsprüfung habe ergeben, dass das der Beigeladenen zu 1) gezahlte Arbeitsentgelt unter den Jahresarbeitsentgeltgrenzen gelegen habe. Eine hauptberuflich selbständige Tätigkeit liege nicht vor. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht habe nicht nachgewiesen werden können. Die Grundsätze von Treu und Glauben stünden der Nachberechnung der Beiträge nicht entgegen.

Am 03.05.2007 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, in keiner der bisherigen Betriebsprüfungen sei beanstandet worden, dass für die Beigeladene zu 1) keine Krankenversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Er habe hierauf vertraut. Es lägen die Voraussetzungen einer Verwirkung vor. Die Beigeladene zu 1) habe Ende 1989 zu Recht ihre Mitgliedschaft bei der KKH gekündigt. Dass die Freistellungsbescheinigung nicht mehr vorgelegt werden könne, dürfe nicht zu Lasten des Klägers gehen. Die Beigeladene zu 1) könne sich zudem an ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der AOK im Jahr 1990 erin...

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