Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zurückverweisung an das Sozialgericht. wesentlicher Verfahrensmangel. Entscheidung mittels Gerichtsbescheid durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter. Vorliegen besonderer Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art. Verletzung des rechtlichen Gehörs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein wesentlicher Verfahrensfehler iS des § 159 Abs 1 Nr 2 SGG liegt vor, wenn das SG durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs 1 S 2 Alt 2 SGG) entschieden hat, obwohl die Voraussetzungen des § 105 Abs 1 S 1 SGG nicht vorlagen.

2. Besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art iS des § 105 Abs 1 S 1 SGG weist eine Streitsache regelmäßig dann auf, wenn die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gegeben wären. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 144 Abs 2 Nr 1 SGG), sondern auch in Fällen der Divergenz (§ 144 Abs 2 Nr 2 SGG).

3. § 105 Abs 1 S 2 SGG fordert einen konkreten fallbezogenen Hinweis, mit dem die Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, mitgeteilt wird. Ein solcher ist auch dann nicht entbehrlich, wenn die Beteiligten eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid oder ohne mündliche Verhandlung ausdrücklich beantragen.

 

Tenor

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. September 2010 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der seitens der Beklagten für die Zeit vom 1. November 2006 bis 31. Juli 2008 bewilligten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Kläger beziehen seit 1. Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II und bewohnen eine 177 qm große Mietwohnung in der F-Str. 11 in 79346 E.. Für diese Wohnung hatten sie in der Zeit vom 1. November 2006 bis 31. Juli 2008 einen monatlichen Kaltmietzins in Höhe von 894,76 € zu entrichten. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2006 bewilligte die Beklagte den Klägern zu 1., 2., 4. und 5. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. November 2006 bis 30. April 2007 in Höhe von monatlich 601,88 €. Hierbei legte die Beklagte als Kaltmiete 411,60 € zuzüglich (kalter) Nebenkosten in Höhe von 40,00 € zugrunde. Sie ging dabei von einem als angemessen erachteten Kaltmietzins in Höhe von 4,90 €/qm aus. Mit Bescheid vom 22. März 2007 änderte die Beklagte die Bewilligungsentscheidung ab; für den Monat März 2007 betrug die Höhe der Leistungen nun 593,08 €, für April 2007 452,20 €. Mit weiterem Bescheid vom 22. März 2007 bewilligte die Beklagte den Klägern zu 1., 2., 4. und 5. für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Juli 2007 Leistungen in Höhe von 444,37 € monatlich. Gegen beide Bescheide erhoben die Kläger am 20. April 2007 Widerspruch. Den Bewilligungszeitraum vom 1. November 2006 bis 30. April 2007 betreffend wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2007 zurück. Die Zeit vom 1. Mai bis 31. Juli 2007 war Gegenstand des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2008.

Für die Zeit vom 1. bis 15. August 2007 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Juli 2007 214,17 €. Nachdem der Kläger zu 1. ab 16. August 2007 Altersrente bezog, bewilligte die Beklagte den Klägern zu 2., 4. und 5. für die Zeit vom 16. bis 31. August 2007 Leistungen in Höhe von 321,21 €; für den Zeitraum 1. September 2007 bis 31. Januar 2008 betrug die Leistungshöhe 545,04 € monatlich. Den gegen diese Bescheide erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2007 zurück. Mit Bescheid vom 23. Januar 2008 bewilligte die Beklagte den Klägern zu 2., 4. und 5. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 1. Februar bis 31. Mai 2008 in Höhe von 312,98 € und für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Juli 2008 Leistungen in Höhe von 390,84 € monatlich, wobei - weiterhin unverändert - ein für angemessen erachteter Mietzins von 4,90 €/qm zugrunde gelegt wurde. Gegen diesen Beschied erhoben die Kläger am 26. Februar 2008 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2008 zurückwies.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2007 haben die Kläger am 9. August 2007 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG; S 14 AS 4370/07) erhoben; gegen den Widerspruchsbescheid vom 20. November 2007 hat sich die am 20. Dezember 2007 beim SG erhobene Klage (S 14 AS 6584/07) gerichtet. Eine weitere Klage, deren Gegenstand der Widerspruchsbescheid vom 11. April 2008 gewesen ist, haben die Kläger am 13. Mai 2008 beim SG erhoben (S 14 AS 2390/08). Letztlich haben die Kläger am 9. Juni 2008 den Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2008 mit der sozialgerichtlichen Klage angefochten (S 14 AS 2874/08). Mit Beschluss vom 6. Februar 2009 hat das SG die vier Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 14 AS 4370/07 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der...

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