Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Beitragshaftung gem § 150 Abs 3 Alt 2 SGB 7. Gesamtunternehmer im Baugewerbe. insolventer Nachunternehmer. Verweisungsvorschrift. planwidrige Lücke. qualifiziertes Redaktionsversehen. analoge Anwendung des § 28e Abs 3b und 3d: Exkulpationsmöglichkeit. begrenzter Anwendungsbereich der Haftung : Auftragswert der Bauleistung
Leitsatz (amtlich)
Die fehlende Verweisung in § 150 Abs. 3 SGB VII auf die Absätze 3b bis 3f des § 28 e SGB IV beruht auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers. Deshalb kann sich der als selbstschuldnerischer Bürge haftende Unternehmer des Baugewerbes u.a. auch auf die dort normierten Regelungen über die Haftungsbefreiung bzw. Haftungsbegrenzung berufen.
Die Berufsgenossenschaft ist berechtigt, die Forderungen gegenüber dem selbstschuldnerischen Bürgen durch Haftungsbescheid geltend zu machen.
Orientierungssatz
Im Rahmen der Beitragshaftung eines Gesamtunternehmers im Baugewerbe gem § 150 Abs 3 Alt 2 SGB 7 bezüglich der rückständigen Beiträge und Umlagen seines Nachunternehmers iSd § 211 Abs 1 SGB 3 aF bzw § 175 Abs 2 SGB 3 nF sind die Regelungen des § 28e Abs 3b bis 3f SGB 4 analog anwendbar (Abweichung von LSG Essen vom 26.1.2007 - L 4 U 57/06 = UV-Recht Aktuell 2007, 304).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September 2006 und der Bescheid vom 17. September 2005 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 27. Oktober 2005 und 1. Dezember 2005, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2006, aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen und die Gerichtskosten nach § 197 a SGG.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Verpflichtung der Klägerin, an die Beklagte 2.121,99 €, hilfsweise 1.529,73 € aus ihrer Haftung als selbstschuldnerische Bürgin für die rückständigen Beiträge der N.-Bau GmbH zu bezahlen.
Die Klägerin ist ein Unternehmen des Baugewerbes. Sie beauftragte die N.-Bau GmbH jedenfalls in den Jahren 2003 und 2004 als Nachunternehmerin mit der Erbringung von Bauleistungen. Gegenüber der N.-Bau GmbH setzte die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 19. April 2004 einen Gesamtbeitrag für das Jahr 2003 in Höhe von 4.545,89 € auf Grundlage einer geschätzten Lohnsumme von 130.800,- € fest, die in Raten von je 1.265,- € (bis 17. Mai bzw. 15. Juli 2004) und einer Rate zu 1.264,- €, fällig am 15. Oktober 2004, zu zahlen waren. Auf die insoweit fälligen Vorschusszahlungen wurde ein Saldovortrag in Höhe von 2.264,- € angerechnet.
Mit Beitragsbescheid vom 21. April 2005 setzte die Beklagte den Beitrag für das Jahr 2004 mit 2.689,11 € fest auf Grundlage der ebenfalls geschätzten Lohnsumme von 76.400,- € (7/12 der Lohnsumme aus 2003).
Die N.-Bau GmbH stellte der Klägerin für die von ihr geleisteten Arbeiten folgende Rechnungen:
Rechnung vom 6. Mai 2003 - 2.187,76 € (netto 1.886,- €)
Rechnung vom 6. Mai 2003 - 2.092,64 € (netto 1.804,- €)
Rechnung vom 26. Mai 2003 - 6.500,- € (netto 5.603,45 €)
Rechnung vom 2. Juli 2003 - 6.000,- € (netto 5.172,42 €)
Rechnung vom 1. Oktober 2003 - 19.000,- € (netto 16.380,- €)
Rechnung vom 1. Dezember 2003 - 6.264,- € (netto 5.400,- €)
Rechnung vom 1. Dezember 2003 - 10.683,60 € (netto 9.210,- €)
Rechnung vom 19. Dezember 2003 - 14.697,20 € (netto 12.670,- €)
Rechnung vom 19. Dezember 2003 - 2.784,- € (netto 2.400,- €)
Rechnung vom 10. Februar 2004 - 6.217,60 € (netto 5.360,- €)
Rechnung vom 10. Februar 2004 - 5.266,40 € (netto 4.540,- €)
Mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 4. Mai 2005 wurde der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der N.-Bau GmbH mangels Masse abgewiesen.
Mit Anhörungsschreiben vom 3. August 2005 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass sie nach § 150 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) i.V.m. § 28 e Abs. 3 a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für die Unfallversicherungsbeiträge ihres Auftragnehmers wie ein selbstschuldnerischer Bürge hafte. Die Haftungshöhe orientiere sich an der Auftragshöhe und der Dauer der Tätigkeit. Die Klägerin wurde aufgefordert, Rechnungsunterlagen aus dem Auftragsverhältnis zur Verfügung zu stellen.
Mit Haftungsbescheid vom 14. September 2005 machte die Beklagte eine Haftungssumme von 2.668,42 € geltend, errechnet aus einer beitragspflichtigen Lohnsumme von 35.212,94 €. Diese Haftungssumme der Klägerin errechnete die Beklagte, indem sie die von der N.-Bau GmbH an die Klägerin im Jahr 2003 erstellten Nettorechnungsbeträge zu 50% der Beitragsberechnung zugrunde legte.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und brachte vor, in den Rechnungen seien auch Kosten für Maschinen und Fahrzeuge enthalten. Diese müssten in jedem Fall unberücksichtigt bleiben. Es sei auch nicht zu akzeptieren, dass die von der N.-Bau GmbH bezahlten Beiträge nicht auf die Haftun...