Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kein Anspruch auf Implantatversorgung bei Zahnverlust durch Parodontopathie
Leitsatz (amtlich)
1. Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben keinen Anspruch auf Versorgung mit Implantaten, wenn der Verlust mehrerer Zähne auf eine Parodontopathie zurückzuführen ist.
2. Eine erweiternde Auslegung der Behandlungs-Richtlinien (§ 92 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 5) ist nicht möglich.
Normenkette
SGB V § 28 Abs. 2 Sätze 8-9, § 55 Abs. 1 S. 1, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.10.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten einer Implantatversorgung.
Die 1968 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bei ihr besteht eine schwere Paradontopathie mit Verlust zahlreicher Zähne im Oberkiefer, ua rechts die Zähne 14, 15, 16, 17 und 18.
Am 23.06.2010 legte die Klägerin zwei Kostenvoranschläge von Prof. Dr. Dr. B. vom 17.06.2010 vor über die Versorgung mit Implantaten Regio 16, 14 iHv 1.664,27 € und für eine Sinusliftoperation im rechten Oberkiefer iHv 1.294,40 €. Befunde wurden in den Kostenvoranschlägen nicht mitgeteilt.
Mit Bescheid vom 29.06.2010 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Eine Implantatversorgung sei nur dann eine vertragszahnärztliche Leistung, wenn eine der Ausnahmeindikationen nach § 28 Abs 2 Satz 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vorliege. Eine solche Ausnahmeindikation liege nicht vor, weshalb eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse ausgeschlossen sei. Für den implantatgetragenen Zahnersatz (Suprakonstruktion) erhalte die Klägerin jedoch einen Festzuschuss.
Am 09.07.2010 legte die Klägerin Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten von Dr. Ba. vom 08.04.2010 bei, welches anlässlich einer früher beantragten Implantatversorgung Regio 21 erstellt worden war. In dem aufgrund ambulanter Untersuchung erstellten Gutachten wird ausgeführt, dass keine Ausnahmeindikation vorliege. Zudem sei eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate gerade angesichts der Option einer Gesamtplanung für den Oberkiefer (zahlreiche Zahnverluste/fragliche Prognose weiterer Zähne) möglich. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2010 wies die Beklagte sodann den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies sie erneut darauf, dass implantologische Leistungen grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehörten, die in den Richtlinien festgelegten Ausnahmeindikationen seien nicht erfüllt. Zudem sei eine konventionelle prothetische Versorgung möglich. Bei der Sinusliftoperation (zur Vorbereitung der Implantatversorgung) handele es sich um eine Privatleistung, eine Kostenübernahme sei deshalb ausgeschlossen. Für die Suprakonstruktion werde jedoch ein Festzuschuss gewährt.
Hiergegen richtet sich die am 30.09.2010 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage, die nicht weiter begründet worden ist.
Für eine implantatgetragene Suprakonstruktion Regio 14 - 16 auf der Grundlage eines Heil- und Kostenplanes der Zahnärztin Dr. R. vom 29.06.2011 bewilligte die Beklagte im Juli 2011 einen Festzuschuss unter Berücksichtigung von 30% Vorsorge-Bonus iHv 380,77 € und zahlte diesen nach erfolgter Eingliederung an Dr. R..
Mit Gerichtsbescheid vom 12.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach § 28 Abs 2 Satz 8 SGB V gehörten implantologische Leistungen nicht zur zahnärztlichen Behandlung und dürften von den Krankenkassen auch nicht bezuschusst werden, es sei denn, es lägen seltene, vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 Abs 1 SGB V festzulegenden Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor. Das Vorliegen einer in § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V in Verbindung mit der Richtlinie festgelegten Ausnahmeindikation sei nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung zwingende Voraussetzung für einen Anspruch auf implantologische Leistungen. Ermessen sei den Leistungsträgern hierbei nicht eingeräumt. Nach den Feststellungen im Gutachten von Dr. Ba. liege eine Ausnahmeindikation im Sinne der Richtlinien des GBA nicht vor.
Gegen den ihren Bevollmächtigten am 15.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14.11.2011 eingelegte Berufung der Klägerin. Implantologische Leistungen gehörten dann zur zahnärztlichen Behandlung, wenn sie notwendig und zwingend seien und die einzig vernünftige zahnärztliche Behandlung darstellten. Dass es Ausnahmen gebe, ergebe sich schon aus den Richtlinien, die der GBA erarbeitet habe. Diese hätten allenfalls den Charakter von Verwaltungsvorschriften, die Gerichtsbarkeit sei nicht hieran gebunden. Aus dem Gutachten von Dr. Ba. ergebe sich unmissverständlich, dass bei einer anderen als der implantologischen Versorgung auftretende weitere Schäden unvermeidlich seien mit Auswirkungen auf den Gesamtorganismus und nich...