Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Gewährung von Haushaltshilfe. Kostenerstattungsanspruch setzt zunächst Beantragung eines Sachleistungsanspruchs voraus. Verdienstausfall von Verwandten. Ausschluss der Erstattung fiktiver Aufwendungen
Leitsatz (amtlich)
Der Kostenerstattungsanspruch des § 38 Abs 4 S 1 SGB V setzt voraus, dass zunächst ein Sachleistungsanspruch auf die Gewährung von Haushaltshilfe bei der Krankenkasse beantragt wird. Die Erstattung eines Verdienstausfalls nach § 38 Abs 4 S 2 SGB V von Verwandten, die Leistungen der Haushaltshilfe für Versicherte erbringen, setzt voraus, dass diesen tatsächlich ein Verdienstausfall entstanden ist. Die Erstattung eines fiktiven Verdienstausfalls ist ausgeschlossen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.08.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe in Form der (weitergehenden) Erstattung eines Verdienstausfalles ihres Ehegatten.
Die im Jahr 1982 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an multipler Sklerose (MS). Aufgrund einer bestehenden Schwangerschaft genehmigte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 05.08.2016 Leistungen der Haushaltshilfe vom 04.07. - 12.09.2016. Vom 13. - 15.09.2016 befand sich die Klägerin wegen der Entbindung ihres Sohnes am 13.09.2016 in stationärer Behandlung.
Im November 2016 erlitt die Klägerin einen akuten MS-Schub. Auf ihre Anfrage hin übersandte ihr die Beklagte daraufhin unter dem 11.11.2016 die (förmlichen) Antragsunterlagen für die Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe, den sie unter dem 22.12.2016 an die Beklagte zurückreichte, wo er am 28.12.2016 eingescannt wurde. Sie gab hierbei an, dass ihr Ehemann den Haushalt bereits seit dem 04.07.2016 führe und dies auch weiterhin so durchgeführt werden solle. Sie legte hierzu Lohnabrechnungen ihres Ehemanns betr. die Zeit ab dem Monat Juni 2016 bis November 2016 sowie eine von der Steuerberatungsgesellschaft des Arbeitgebers des Ehegatten der Klägerin ausgestellte Bestätigung vor, nach der sich der Verdienstausfall des Ehegatten der Klägerin in der Zeit vom 04.07.2016 - 28.02.2017 auf insg. 34.668,33 € belaufen habe, vor. Nach den dem Antrag beigefügten Angaben der Frauenärztin B. vom 28.11.2016 werde die Haushaltshilfe vom 19.09.2016 bis Mitte Januar 2017 für jeweils 8 Stunden pro Tag benötigt. Ferner legte die Klägerin ein ärztliches Attest von Dr. B., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 06.12.2016 vor, wonach sie, die Klägerin, an einer schubförmig verlaufenden MS-Erkrankung leide. Sie habe während der Schwangerschaft im April 2016 einen Schub mit einer Ataxie und Parese beider Beine erlitten, dessen Behandlung wegen der bestehenden Schwangerschaft nach einer einmaligen Cortisonbehandlung nicht habe fortgeführt werden können. Seit Anfang Oktober habe sich eine massive Gangunsicherheit mit Hemiataxie links gezeigt, die zweimalig mit Cortison behandelt worden sei. Aufgrund der Schwere der Erkrankung sei die Klägerin nach der Geburt zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, das Neugeborene sowie den dreijährigen Sohn zu versorgen.
Mit Bescheid vom 09.01.2017 entschied die Beklagte, Leistungen der Haushaltshilfe nicht zu genehmigen. Der Klägerin sei unter dem 05.08.2016 Haushaltshilfe bis einen Tag vor der stationären Aufnahme zur Entbindung bewilligt worden, die sodann am 13.09.2016 erfolgt sei. Hiernach seien Leistungen der Haushaltshilfe bis einschließlich zum 12.09.2016 genehmigt gewesen. Die Antragsunterlagen für die nunmehr begehrten weiteren Leistungen seien jedoch erst am 28.12.2016 bei ihr, der Beklagten, eingegangen. Da Leistungen der Haushaltshilfe vor deren Inanspruchnahme beantragt werden müssten, könne eine Genehmigung für den beantragten Zeitraum vom 13.09. - 27.12.2016 nicht erfolgen. Außerdem liege bei der Klägerin eine chronische Erkrankung vor, weswegen die Regelung über die Gewährung von Leistungen von Haushaltshilfe, die nur für akute Erkrankungen gedacht sei, nicht eingreife.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 30.01.2017 Widerspruch ein, mit dem sie vorbrachte, die Begründung der Beklagten sei nicht nachvollziehbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.03.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für die Zeit vom 13.09. - 21.12.2016 sei der Antrag erst nach der Inanspruchnahme der Leistungen der Haushaltshilfe gestellt worden. Auch für die Zeit ab dem 22.12.2016 sei eine Leistungsgewährung nicht möglich, da der behandelnde Neurologe Dr. B. von einer chronischen Erkrankung berichtet habe. Ein auftretender Krankheitsschub könne die Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe nicht begründen.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.04.2017 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, die Grundbeeinträchtigung aufgrund ihrer Erkrankung sei als chronisch einzustufen; die jeweiligen Schübe seie...