Leitsatz (amtlich)
Sind im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung der ehemaligen DDR Arbeitsausfalltage für mehrere Beschäftigungsverhältnisse innerhalb eines Kalenderjahres jeweils als Summe eingetragen, sind die pauschalen Anrechnungszeiten getrennt nach den einzelnen Beschäftigungszeiträumen zu ermitteln und dem Ende des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses kalendertagemäßig zuzuordnen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.07.2022 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte, insbesondere um die Höhe der Entgeltpunkte für das Jahr 1982 unter Berücksichtigung des Verdienstes, für den im Zeitraum vom 01.01.1982 bis 19.04.1982 Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) gezahlt worden sind.
Die 1955 geborene Klägerin war im Beitrittsgebiet berufstätig. Am 23.10.1981 gebar sie ihre Tochter M1. Für das Jahr 1982 weist der Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung der Klägerin folgende Eintragungen auf:
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Beginn der Tätigkeit |
Genaue Bezeichnung der Tätigkeit |
Lohn- bzw. Gehaltsgruppe |
Beitragspflichtiger Gesamtarbeitsverdienst |
Ende der Tätigkeit |
Stempel und Unterschrift des Betriebs |
01.01.1982 |
Schlosser |
71 |
398,40 Mark |
19.04.1982 |
VEB Kraftwerk B1 |
01.01.1982 |
FZR |
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57,80 Mark |
19.04.1982 |
VEB Kraftwerk B1 |
01.09.1982 |
Zerspaner |
27 |
1.653,70 Mark |
31.12.1982 |
VEB Kraftwerk B1 |
01.09.1982 |
FZR |
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419,60 Mark |
31.12.1982 |
VEB Kraftwerk B1 |
Am 30.03.1982 unterzeichneten die Klägerin und der Volkseigene Betrieb (VEB) Kraftwerk B1 eine Vereinbarung, wonach „auf Grundlage des bestehenden Arbeitsrechtsverhältnisses und auf Verlangen der Kollegin [„Tätigkeit: Zerspaner“] für die Zeit vom 29.03.1982 bis 22.10.1982 (einen Tag vor Beendigung des 1. Lebensjahres des Kindes) unbezahlte Freizeit … gewährt“ wurde. „Die Betriebszugehörigkeit [werde] dadurch nicht unterbrochen, vielmehr ruh[t]en einige Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsrechtsverhältnis“.
Auf Antrag der Klägerin vom 09.07.2018 gewährte ihr die Beklagte mit Rentenbescheid vom 11.02.2019 ab dem 01.01.2019 Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Höhe von monatlich 1.285,61 €. Der dem Bescheid beigefügte Versicherungsverlauf wies für das Jahr 1982 folgende Eintragungen auf:
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01.01. - 31.12.82 |
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12 Mon. |
Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung |
SVA |
01.01. - 09.01.82 |
1.280,74 DM Betrag aus 398,40 M x 3,2147 |
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Pflichtbeitragszeit |
FZR |
01.01. - 09.01.82 |
185,81 DM Betrag aus 57,80 M x 3,2147 höchstens 129,26 DM |
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Pflichtbeitragszeit |
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10.01. - 19.04.82 |
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Arbeitsausfalltage |
SVA |
01.09. - 31.10.82 |
3.843,01 DM Betrag aus 1.195,45 M x 3,2147 |
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Pflichtbeitragszeit |
FZR |
01.09. - 31.10.82 |
975,11 DM Betrag aus 303,33 M x 3,2147 |
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Pflichtbeitragszeit |
SVA |
01.11. - 23.11.82 |
1.473,14 DM Betrag aus 458,25 M X 3,2147 |
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Pflichtbeitragszeit |
FZR |
01.11. - 23.11.82 |
373,77 DM Betrag aus 116,27 M x 3,2147 |
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Pflichtbeitragszeit |
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24.11. - 31.12.82 |
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Arbeitsausfalltage |
SVA = beitragspflichtiger Verdienst zur Sozialversicherung im Beitrittsgebiet FZR = Verdienst aufgrund von Zahlungen zur FZR im Beitrittsgebiet |
Gegen den Rentenbescheid vom 11.02.2019 erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 08.03.2019 Widerspruch. Eine Widerspruchsbegründung wurde nicht vorgelegt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2020 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Da der Widerspruch nicht begründet worden sei, könne keine Unrechtmäßigkeit des Rentenbescheids vom 11.02.2019 festgestellt werden. Der Widerspruchsbescheid wurde am 07.02.2020 zur Post aufgegeben.
Am 10.03.2020 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und beantragt, die der Klägerin gewährte Altersrente für besonders langjährig Versicherte „unter Abänderung des Rentenbescheids vom 11.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.02.2020 und weiterer bislang maßgeblicher Rentenbescheide mit der Maßgabe neu zu berechnen, dass für das Jahr 1982 Anrechnungszeiten von 138 Kalendertagen im Zeitraum vom 16.08. bis 31.12.1982 zu berücksichtigen sind, und auf dieser Basis die Rente rückwirkend seit 01.01.2019 und für die Zukunft monatlich zu leisten.“ Hilfsweise hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, „die Altersrente der Klägerin so zu berechnen, dass die fiktiv dem Zeitraum vom 01.01. bis 09.01.1982 zugeordneten Bemessungsentgelte nicht einer anteiligen monatlichen Beitragsbemessungsgrenze gegenübergestellt werden, sodass Verdienst im Sinne des§ 256a SGB VI wie tatsächlich geleistet und entrichtet ungekürzt in Entgeltpunkte umgesetzt wird, und auf dieser Basis die Rente rückwirkend seit Januar 2019 und für die Zukunft monatlich zu leisten.“
Das Begehren der Klägerin richte sich darauf, dass die im Jahr 1982 im Beitrittsgebiet geleisteten Beiträge zur Sozialversicherung und zur...