Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. unzulässige Berufung. Fehlen der Prozessführungsbefugnis. Ausschluss notwendiger Streitgenossenschaft von Unfallverletztem und haftungsprivilegiertem Arbeitgeber gem § 74 SGG iVm § 62 ZPO. Beiziehung gem § 12 Abs 1 Nr 4 SGB 10 oder notwendige Beiladung des Haftungsprivilegierten gem § 75 SGG
Leitsatz (amtlich)
Eine notwendige Streitgenossenschaft von Unfallverletztem und dem vom Haftungsprivileg erfassten Arbeitgeber nach § 74 SGG iVm § 62 ZPO ist nach der spezielleren Vorschrift des § 109 S 1 SGB 7 grundsätzlich ausgeschlossen (entgegen Nehls in Hauck/Noftz/Nehls, SGB 7, K § 109 RdNr 8; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl § 74 RdNr 5), weil haftungsprivilegierte Personen nur anstelle des Berechtigten klagen können, d.h. wenn der Berechtigte keine solche Verfahren bzw Feststellungen gegen den Unfallversicherungsträger betreibt. Eine andere Bewertung ist nicht deswegen gerechtfertigt, weil sich die - weiterverfolgte - Berufung des Unfallverletzten als unzulässig erweist. Insoweit bleibt nur die Beiladung des Haftungsprivilegierten nach § 75 SGG.
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Klägerin zu 1 und der Berufungsklägerin zu 2 gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Dezember 2008 werden als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Hinsichtlich der Berufungsklägerin zu 2 wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zu 1 als “wie Beschäftigte„ der Berufungsklägerin zu 2 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die 1937 geborene Klägerin zu 1 ist Mutter des Geschäftsführers der Berufungsklägerin zu 2. Sie war bis 31.12.2004 bei der Berufungsklägerin zu 2 ca. eine Stunde täglich auf 400 €-Basis mit der Buchhaltung, dem Bankverkehr (Zahlungsverkehr) befasst und kümmerte sich außerdem insbesondere um die Papierkörbe und das Schließen von Fenstern und Türen, die Beleuchtung sowie dem Auswechseln von Handtüchern, Auffüllen des Toilettenpapiers und der Seifenspender im Firmengebäude. Seit 01.01.2005 befindet sich die Klägerin zu 1 im Ruhestand. Seit dieser Zeit verrichtete die Klägerin zu 1 Tätigkeiten unentgeltlich. Geschäftsanteile an der Berufungsklägerin zu 2 hält die Klägerin zu 1 nicht. Sie erhält aus privaten Mitteln ihres Sohnes monatlich 350 €.
Am 02.08.2007 stürzte die Klägerin gegen 17:30 Uhr im Gebäude der Berufungsklägerin zu 2. Die Klägerin trat auf den Rand eines Schuhabstreifers, der vor einer Treppenstufe stand, knickte um und stürzte über die Schwelle. Dabei zog sich die Klägerin eine Mehrfragmentfraktur des Femurschaftes rechts zu. Hierüber wurde die Klägerin durch eine Anzeige der AOK N. am 05.09.2007 informiert.
Am 06.09.2007 meldete die Berufungsklägerin zu 2 der Beklagten den Vorfall vom 02.08.2007. Sie teilte mit, die Klägerin zu 1 sei beim Entleeren der Papiereimer gestürzt. Die Klägerin zu 1 übe seit ihrer Pensionierung - im Einzelnen genannte - Tätigkeiten weiter für das Unternehmen unentgeltlich aus. Mit weiterem Schreiben schilderte die Berufungsklägerin zu 2 den Schadensverlauf und teilte mit, sie sehe ihr Verschulden darin, dass der Fußabstreifer nicht wie sonst üblich entfernt worden sei, ein Mitverschulden der Klägerin zu 1 sei nicht zu erkennen.
Mit an die Klägerin zu 1 adressierten Bescheid vom 15.01.2008 stellte die Beklagte fest, dass ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe und dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu erbringen seien. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Versicherungsschutz als Beschäftigte bestehe nicht. Die Klägerin zu 1 sei als Mutter des Geschäftsführers der Berufungsklägerin zu 2 auch nicht wie eine “wie Beschäftigte„ tätig geworden. Nach dem Gesamtbild der Tätigkeit handele es sich um eine Gefälligkeitsleistung, die durch das verwandtschaftliche Verhältnis zum Sohn geprägt und der reinen familiären Gefälligkeit zuzuordnen sei. Die Klägerin zu 1 gehöre demnach nicht zum Kreis der versicherten Personen in der gesetzlichen Unfallversicherung.
Hiergegen legte die Klägerin zu 1 am 04.02.2008 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung geltend, sie erbringe ihre Tätigkeiten ausschließlich für die Berufungsklägerin zu 2. Es handele sich um arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten. Eine verwandtschaftliche Gefälligkeit könne sie nicht erkennen. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 15.01.2008 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 21.04.2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie trug vor, sie gehe davon aus, dass die Klage rechtzeitig eingereicht worden sei. Vorsorglich beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der Sache hält die Klägerin zu 1 an ihrem Standpunkt fest, dass eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit vorgelegen habe.
In der öffentlichen Sitzung am 17.12.2008 vernahm das SG den Sohn der Klägerin W. (W.) s...