Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Bemessungsrahmen und Erhöhung des Bemessungsentgeltes bei Arbeitslosigkeit nach Altersteilzeit. Altersrentenberechtigung
Leitsatz (amtlich)
1. Arbeitslose Altersteilzeitarbeitnehmer erhalten eine privilegierte Bemessung des Arbeitslosengeldes auf Grundlage eines fiktiven Arbeitsentgeltes, das sie ohne Altersteilzeit erhalten hätten, nur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie erstmals eine - gegebenenfalls auch abschlagsbehaftete - Altersrente beanspruchen können (Anschluss an BSG vom 15.12.2005 - B 7a AL 30/05 R = SozR 4-4300 § 131 Nr 3).
2. Kann ein arbeitsloser Altersteilzeitarbeitnehmer eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Rentenabschlägen beanspruchen, erfolgt die Bemessung seines Arbeitslosengeldes auf Grundlage des tatsächlich erzielten Arbeitsentgeltes.
3. Der Schutz der Finanzierbarkeit der Arbeitslosenversicherung stellt einen rechtfertigenden Grund für die unterschiedliche Arbeitslosengeldbemessung von arbeitslosen Altersteilzeitarbeitnehmern ohne Rentenanspruch und solchen, die einen Rentenanspruch haben, dar, selbst wenn der Rentenanspruch nur unter Inkaufnahme von Abschlägen realisierbar ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 19.05.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes streitig.
Der 1957 geborene schwerbehinderte Kläger war seit dem 12.10.1987 bei der Fa. H. AG (im Folgenden: Arbeitgeberin) als Montagewerker versicherungspflichtig beschäftigt. Am 23.06.2015 schloss er mit seiner Arbeitgeberin einen Altersteilzeitvertrag (...). Die Altersteilzeitvereinbarung begann am 01.10.2015 und endete am 30.06.2018. In dieser Zeit war der Kläger von seiner Arbeit freigestellt und erhielt ein Arbeitsentgelt in Höhe von 85 Prozent eines fiktiven Nettoentgeltes ohne Altersteilzeitarbeit. Ausweislich einer Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung B.-W. vom 25.06.2018 konnte er eine Altersrente für Schwerbehinderte mit Rentenabschlag ab dem 01.07.2018 und ohne Rentenabschlag ab dem 01.07.2021 beziehen.
Mit persönlicher Arbeitslosmeldung vom 11.05.2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 01.07.2018. In der von seiner Arbeitgeberin ausgestellten Arbeitsbescheinigung vom 18.07.2018 war für die Zeit vom 01.07.2017 bis zum 30.06.2018 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt ohne Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 28.103,41 Euro sowie ein fiktives Bruttoarbeitsentgelt mit Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 56.156,82 Euro ausgewiesen. Nachdem die Beklagte Leistungen zunächst vorläufig bewilligt hatte (vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 02.07.2018), bewilligte sie dem Kläger mit Bescheid vom 10.09.2018 Arbeitslosengeld ab dem 01.07.2018 für 720 Tage abschließend. Ausgehend von einem einjährigen Bemessungsrahmen vom 01.07.2017 bis zum 30.06.2018 errechnete sie aus dem in der Arbeitsbescheinigung als beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt ohne Einmalzahlung ausgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 77,00 Euro. Der tägliche Leistungssatz belief sich auf 31,07 Euro.
Mit Änderungsbescheid vom 12.09.2018 setzte die Beklagte den Leistungsanspruch für die Zeit vom 25.09.2018 bis zum 16.10.2018 im Hinblick auf eine vom Kläger in diesem Zeitraum durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit Anspruch auf Übergangsgeld auf 0,00 Euro täglich fest. Im Anschluss an die Rehabilitationsmaßnahme war der Kläger bis zum 30.11.2018 arbeitsunfähig.
Gegen den Bewilligungsbescheid vom 10.09.2018 erhob der Kläger am 09.10.2018 Widerspruch. Es hätte statt des tatsächlichen Bruttoentgelts das fiktive Bruttoentgelt der Leistungsberechnung zugrunde gelegt werden müssen. Dies ergebe sich aus § 10 Abs. 1 Altersteilzeitgesetz (AltTZG). Auch habe der Arbeitgeber während der Altersteilzeit einen Aufstockungsbetrag an die Rentenversicherung bezahlt.
Während des Widerspruchsverfahrens hob die Beklagte mit Bescheid vom 26.10.2018 die Bewilligungsentscheidung ab dem 25.09.2018 auf.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2018 wies sie den Widerspruch zurück. Die Regelung des § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB III finde keine Anwendung, denn nach § 150 Abs. 2 Satz 2 SGB III gelte diese nicht in Fällen einer Teilzeitvereinbarung nach dem AltTZG, es sei denn das Beschäftigungsverhältnis sei wegen Zahlungsunfähigkeit beendet worden. Der Bemessungszeitraum umfasse deshalb die Entgeltabrechnungszeiträume vom 01.07.2017 bis zum 30.06.2018.
Am 22.11.2018 erließ die Beklagte einen weiteren Aufhebungsbescheid, mit dem sie die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 17.10.2018 aufhob. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei aus der Reha arbeitsunfähig entlassen worden und habe deshalb auch nach der Reha keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Am 12....