Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung: Bemessungsgrundlage des Arbeitslosengeldanspruchs bei einer Tätigkeit in Altersteilzeit vor Eintritt der Arbeitslosigkeit
Orientierungssatz
Bei der Ermittlung der Höhe eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld wird auch bei einer Tätigkeit im Rahmen einer Altersteilzeit ausnahmsweise nur das Bemessungsentgelt aus den tatsächlichen Bezügen zugrunde gelegt, wenn der Arbeitslosengeldempfänger zugleich auch einen Anspruch auf Bezug von Altersrente hat. Das gilt bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem eine Altersrente erstmals mit Abschlägen in Anspruch genommen werden kann. In diesem Fall scheidet die Zugrundelegung eines fiktiven Bemessungsentgeltes als Berechnungsgrundlage des Arbeitslosengeldanspruchs aus.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Höhe des Arbeitslosengeldes I (ALG I) im Streit.
Der am … 1957 geborene Kläger war vom 12.10.1987 bei der … Aktiengesellschaft (Arbeitgeberin) beschäftigt. Mit Vertrag vom 23.06.2015 vereinbarten der Kläger und seine Arbeitgeberin, das Arbeitsverhältnis vom 01.10.2015 bis 30.06.2018 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell fortzuführen. Laut einer Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 25.06.2018 könne der Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Rentenabschlag ab dem 01.07.2018 beziehen.
Auf seinen Antrag vom 01.07.2018 gewährte ihm die Beklagte ab 01.07.2018 ALG I in Höhe von kalendertäglich 31,07 EUR für 720 Tage bei einem Leistungssatz von 60 % und aus einem 1-jährigen vom 01.07.2017 bis 30.06.2018 dauernden Bemessungsrahmen errechnetes tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 77,00 EUR (28.103,41 EUR / 365) sowie unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse I (Bl. 72 ff. d. Verwaltungsakte).
Dagegen erhob der Kläger am 09.10.2018 Widerspruch. Der Bescheid gehe von einer falschen Berechnungsgrundlage aus. Aus § 10 Abs. 1 S. 1 Altersteilzeitgesetz (AltTZG) ergebe sich, dass das ALG I nach dem fiktiven Bruttoentgelt entsprechend der Bescheinigung seiner Arbeitgeberin zu berechnen sei (Bl. 49 ff. d. Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 149 Nr. 1 SGB III betrage das ALG I 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt). Gemäß § 153 SGB III sei das Leistungsentgelt das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Nach § 150 Abs. 1 S. 1 SGB III umfasse der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen (Abs. 1 S. 1).Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (Abs. 1 S. 2). Der Bemessungsrahmen umfasse somit die Zeit vom 01.07.2017 bis 30.06.2018. Zeiten, in denen die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf Grund einer Teilzeitvereinbarung nicht nur vorübergehend auf weniger als 80 % der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung, mindestens um fünf Stunden wöchentlich, vermindert war, wenn die oder der Arbeitslose Beschäftigungen mit einer höheren Arbeitszeit innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre vor der Entstehung des Anspruchs während eines sechs Monate umfassenden zusammenhängenden Zeitraums ausgeübt hat (Abs. 2 S. 1 Nr. 5).§ 150 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 SGB III gelte nicht in Fällen einer Teilzeitvereinbarung nach dem Altersteilzeitgesetz, es sei denn, das Beschäftigungsverhältnis ist wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers beendet worden (Abs. 2 S. 2). Gemäß § 151 Abs. 1 S. 1 SGB III sei das Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Der Bemessungszeitraum umfasse die Entgeltabrechnungszeiträume vom 01.07.2017 bis 30.06.2018. Im Bemessungszeitraum sei in 365 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 28.103,41 EUR erzielt worden. Hieraus ergebe sich ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 77,00 EUR. Maßgeblich sei die Lohnsteuerklasse I. Unter Berücksichtigung der Abzüge ergebe sich ein Leistungsentgelt in Höhe von 51,79 EUR. Nach dem allgemeinen Leistungssatz betrage das ALG I 31,07 EUR täglich.
Hiergegen hat der Kläger am 12.12.2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben. Die Beklagte habe die Privilegierung des Teilzeitarbeitnehmers nicht umfassend gewürdigt. Zweck des § 150 Abs. 2 SGB III sei es, dem Leistungsberechtigten Nachteile zu ersparen, die sich aus den Teilzeitentgelten auf die Leistungshöhe ergeben. Diese Privilegierung werde auch durch § 10 Abs. 1 S. 1 AltTZG untermauert. Die Möglichkeit der Altersteilzeit würde leerlaufen, we...