Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer besonderer Bedarf. pandemiebedingter Mehrbedarf. Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Leistungsberechtigten. Sonderbedarf. Wohnungserstausstattung. Bemessung der Pauschalbeträge. keine Übernahme von Kosten für die Anschaffung eines Wäschetrockners. Darlehen. Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs für Alleinstehende

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum pandemiebedingten Mehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II (in Form von durch die Regelleistung nicht abgedeckten Aufwendungen für Medizinprodukte, Hygieneartikel, Lebensmittel und sonstige Artikel zur Katastrophenschutzvorsorge).

2. Leistungen für eine Wohnungserstausstattung nach § 24 Abs 3 Nr 1 SGB II können in Form von Pauschalbeträgen gewährt werden, die sich am unteren Segment des Einrichtungsniveaus orientieren dürfen.

3. Ein elektrischer Wäschetrockner gehört nicht zu den Einrichtungsgegenständen und Geräten, die für eine geordnete Haushaltsführung unerlässlich sind. Auch die Gewährung eines Darlehens setzt einen nach den Umständen unabweisbaren Bedarf voraus.

 

Orientierungssatz

Der Senat teilt die Auffassung, dass der Gesetzgeber den in §§ 19, 20 SGB 2 geregelten Regelbedarf nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen hat.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 02.08.2023; Aktenzeichen B 7 AS 93/23 AR)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. August 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig sind die Erstattung von (weiteren) Kosten für eine Waschmaschine sowie die Übernahme von Kosten für die Anschaffung eines Wäschetrockners, eines Waschmaschinenuntergestells, eines Frachtkostenzuschlags sowie Zuschläge für Medizinprodukte, Hygieneartikel und Lebensmittel wegen der Corona-Pandemie (Covid-19-Pandemie) sowie zum Erwerb von Gegenständen zur Katastrophenvorsorge nach Maßgabe der Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1962 geborene Kläger, der im EDV-Bereich als Programmierer und Elektroniker bis 2008 selbstständig tätig war, bezieht seit 2005 vom Beklagten Arbeitslosengeld II als laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung. Mit Bescheid vom 03.09.2019, abgeändert durch den Bescheid vom 23.11.2019, wurden ihm Leistungen für den Zeitraum Oktober 2019 bis Dezember 2019 in Höhe von 918,00 € sowie für den Zeitraum Januar 2020 bis September 2020 in Höhe von 926,00 € bewilligt (Regelleistung monatlich 424 € bzw. 432 € ab 01.01.2020, Kosten der Unterkunft und Heizung monatlich 494 €).

Mit Schreiben vom 29.03.2020 beantragte der Kläger die Kostenübernahme und Auszahlung für folgende Gegenstände:

- Waschmaschine (gem. Stiftung Warentest)

ca. 470,00 €

- Wäschetrockner (gem. Stiftung Warentest)

ca. 590,00 €

- Waschmaschinenuntergestell (Überflutungsschutz)

ca. 100,00 €

- Frachtkosten für die Elektrogeräte

80,00 €

- Zuschlag für Medizinprodukte, Hygieneartikel, Lebensmittel etc.

200,00 € monatlich

Zur Begründung führte er aus, dass aufgrund der Corona-Pandemie seine gesamte Versorgung durch die allgemeine Ausgangsbeschränkung sowie die Preissteigerungen bei Medizinprodukten und Hygieneartikeln (Desinfektionsmittel, Handschuhe, Atemmasken, Toilettenartikel etc.) nicht mehr ausreichend durch die Regelleistung abgesichert sei. Die extreme Teuerung für die genannten Artikel sei öffentlich bekannt und bedürfe keines weiteren Beweises. Er besitze keine Waschmaschine und keinen Wäschetrockner. Ein Wäschetrockner in seiner Wohnung sei erforderlich, da die Trocknungsfläche im Keller für fünf Wohnungen mit ca. 2 qm zum Trocknen nicht ausreichend sei und derzeit ein sehr hohes Viren-Übertragungsrisiko darstelle. Das Waschen und Trocknen seiner Wäsche sei außer Haus derzeit nicht gefahrlos möglich und ihm bezüglich der Risiken und Kosten nicht zumutbar. Sofern das bewilligte Geld zu wenig für eine von ihm gewünschte Maschine sei, solle die Differenz als langfristiges Darlehen gewährt werden.

Am 06.04.2020 stellte der Kläger unter dem Aktenzeichen S 15 AS 1315/20 ER diesbezüglich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Stuttgart (SG), welcher mit Beschluss vom 06.05.2020 abgelehnt wurde. Die diesbezüglich unter dem Aktenzeichen L 13 AS 3328/20 ER-B eingereichte Beschwerde wurde vom Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 27.10.2020 zurückgewiesen.

Bereits mit Bescheid vom 14.04.2020 hatte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Beschaffung einer Waschmaschine sowie eines Wäscheständers inklusive Lieferkosten in Höhe von 260,00 € bewilligt. Ein Darlehen über den Restbetrag könne nicht befürwortet werden.

Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 20.04.2020 Widerspruch ein. Der bewilligte Pauschalbetrag decke weder seinen dargelegten Bedarf noch die realen Beschaffungskosten. Man habe ihm nicht nachvollziehbar aufgeschlüsselt,...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?