Entscheidungsstichwort (Thema)
Fremdrentenrecht. Spätaussiedler. Hinterbliebene mit eigener Rente. Begrenzung der anrechenbaren Zeiten auf 25 Entgeltpunkte
Orientierungssatz
1. Zur Begrenzung der anrechenbaren Zeiten nach dem Fremdrentengesetz auf 25 Entgeltpunkte (§ 22b Abs 1 S 1 FRG), wenn ein Begünstigter neben einem Recht aus eigener Versicherung ein abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente hat (entgegen BSG vom 30.8.2001 - B 4 RA 118/00 R = BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2, BSG vom 11.3.2004 - B 13 RJ 44/03 R = BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1 und BSG vom 7.7.2004 - B 8 KN 10/03 R = BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2).
2. Zu den Voraussetzungen, unter denen der Gesetzgeber trotz Entscheidung des zuständigen obersten Bundesgerichts wegen unklarer Rechtslage rückwirkend eine für die Betroffenen nachteilige Regelung treffen darf.
3. Zur echten und unechten Rückwirkung einer Norm.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung der dem Grunde nach zuerkannten Witwenrente hat.
Die ...1925 geborene Klägerin kam am 20.2.1999 aus der ehemaligen S in die Bundesrepublik Deutschland. Auf ihren Rentenantrag vom 8.3.1999 gewährte die Beklagte der Klägerin auf Grund eines Leistungsfalles vom 25.12.1990 ab 20.2.1999 Regelaltersrente in Höhe von zunächst DM 1021,75 (Zahlbetrag DM 939,00; Bescheid vom 17.6.1999).
Am 16.4.1999 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung ihres ...1924 geborenen und ...1994 in der ehemaligen S verstorbenen Ehemannes A L.
Mit Bescheid vom 26.7.1999 anerkannte die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente dem Grunde nach und führte aus, es ergebe sich jedoch kein Zahlungsanspruch, da die Klägerin eine Altersrente beziehe, bei der bereits 25 Entgeltpunkte (EP) berücksichtigt worden seien.
Am 13.9.2002 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.8.2001 die Gewährung einer Witwenrente.
Mit Bescheid vom 26.9.2002 lehnte die Beklagte die Neufeststellung der Rente ab. Den Widerspruch der Klägerin vom 30.10.2002 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.3.2003 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 15.4.2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben, mit der sie die Zahlung einer Witwenrente unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 30.8.2001 (B 4 RA 118/00 R) weiterverfolgt hat.
Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage eines Urteil des SG Mannheim vom 27.11.2002 (S 9 RJ 2074/02) entgegen getreten.
Durch Urteil vom 30.7.2003 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.9.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.3.2003 verurteilt, den Bescheid vom 19.7.1999 (gemeint: 26.7.1999) abzuändern und der Klägerin eine Witwenrente ohne Begrenzung auf 25 EP ab 1.4.1999 zu gewähren. Das SG ist dabei dem Urteil des BSG vom 30.8.2001 gefolgt.
Gegen das am 3.11.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7.11.2003 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, die Rentenversicherungsträger würden dem Urteil des BSG vom 30.8.2001 (B 4 RA 118/00 R) über den Einzelfall hinaus nicht folgen, da es von einem fehlerhaften Ansatz ausgehe. Das zentrale Argument des 4. Senats des BSG, eine Hinterbliebenenrente sei stets die Ableitung der Rente des Verstorbenen (Versicherten), treffe nicht zu. Der Verstorbene habe keinerlei Rentenansprüche (auch keine Anwartschaften oder Aussichten hierauf) gehabt; er habe als Nicht-FRG-Berechtigter mit seinen ausschließlich fremden Versicherungszeiten in keinerlei Beziehung zum deutschen Rentenversicherungsträger gestanden. Demzufolge lasse sich für die Witwe gar kein Hinterbliebenenrentenanspruch ableiten. Dass der Witwe dennoch (zumindest dem Grunde nach) ein Anspruch auf Witwenrente zugesprochen worden sei, sei eine Besonderheit des Fremdrentenrechts (§ 1 Buchst. a FRG), die sich aus dem Aufbau des Fremdrentengesetzes (FRG) ergebe. Aber auch für abgeleitete Hinterbliebenenrenten, die es im Fremdrentenrecht ebenfalls gebe (§ 1 Buchst. e FRG), vermögen die Urteilsgründe nicht zu überzeugen. Das BSG begründe seine Entscheidung unter anderem damit, dass § 22 b Abs. 1 (S. 1 und 3) FRG nach Wortlaut ("Berechtigte", "anrechenbare Zeiten", "Entgeltpunkte") und Sinn nur Versicherten-, nicht aber Hinterbliebenenrenten erfasse, die nach den Gesichtspunkten des Unterhaltsersatzes aus der Rente des Versicherten abgeleitet würden. Der Begriff "Berechtigter" werde im Fremdrentenrecht in zahlreichen Vorschriften verwandt und bezeichne ganz allgemein Personen, auf die die Regelungen des FRG (bzw. FANG) anwendbar seien. Dass der Begriff auch Hinterbliebene umfasse, zeige seine Verwendung im neuen § 14 a FRG, der sich ausschließlich auf Hinterbliebenenrente beziehe. Eine Beschränkung auf Personen mit Ansprüchen bzw. Anwartschaften auf Versichertenrente ergebe sich weder aus dem allgemeinen Spra...