Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzinsung einer Nachzahlung nach dem AsylbLG. fehlende Rechtsgrundlage. keine direkte oder analoge Anwendung des § 44 SGB 1. keine Anwendbarkeit der §§ 288, 291 BGB
Orientierungssatz
1. Für die Verzinsung von Leistungen nach dem AsylbLG gibt es keine Rechtsgrundlage. Insbesondere ist § 44 SGB 1 nicht anwendbar, weil das AsylbLG nicht zu den Sozialleistungsbereichen gehört, die vom SGB 1 erfasst werden (vgl LSG Stuttgart vom 25.10.2012 - L 7 AY 726/11).
2. Für eine analoge Anwendung des § 44 SGB 1 oder der §§ 288, 291 BGB ist kein Raum.
Nachgehend
BSG (Vergleich vom 30.10.2013; Aktenzeichen B 7 AY 2/13 R) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Mai 2011 hinsichtlich des Zinsausspruchs aufgehoben. Insoweit werden die Klagen abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Kläger Ziffer 1 bis 4 im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch darum, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Nachzahlung der Differenz zwischen sogenannten Analogleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und den Grundleistungen (§ 3 AsylbLG) mit 4 % zu verzinsen.
Die Kläger sind eine aus dem ehemaligen J. stammende Familie. Die Klägerin Ziffer 1 ist Mutter der Kläger Ziffer 2 bis 4. Die Kläger Ziffer 1 bis 3 bezogen u. a. in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2009 Grundleistungen nach dem AsylbLG, die Klägerin Ziffer 4 bis 31. August 2009.
Am 8. Februar 2010 beantragten die Kläger die rückwirkende Erbringung sogenannter Analogleistungen für die Zeit ab 1. Januar 2006 unter Anrechnung der gewährten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG nebst Zinsen in Höhe von 4 % nach § 44 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I). Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 14. Juli 2010 den Klägern Ziffer 1 bis 3 für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Mai 2010 und der Klägerin Ziffer 4 für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum “31. September„ 2009 Leistungen nach § 2 AsylbLG, setzte den zusätzlich zu den bisher erbrachten Leistungen nach § 3 AsylbLG zu erbringenden Nachzahlungsbetrag auf 3.000 Euro (je Person 750 Euro) fest und verrechnete diesen Betrag in Höhe von 2.918,04 Euro auf Basis der gegenüber der Klägerin Ziffer 1 verfügten (bestandskräftigen) Aufhebung und Erstattung (Bescheid vom 8. Februar 2008). Den Antrag des Sohnes der Klägerin Ziffer 1 E. M. (E.M.) lehnte er ab, da dieser seit dem 1. Juni 2008 keine Leistungen nach dem AsylbLG und dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) bezogen habe. Auch der Antrag auf nachträgliche Verzinsung blieb ohne Erfolg. Für eine Verzinsung gebe es keine Rechtsgrundlage. Den Widerspruch der Kläger (Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 11. August 2010) wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. November 2010).
Dagegen haben die Kläger und E.M. am 16. November 2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben. Mit Urteil vom 17. Mai 2011 hat das SG Mannheim den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 14. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2010 verurteilt, den Klägern Ziffer 1 bis 4 für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. September 2009 die volle Differenz zwischen den “Analogleistungen„ (§ 2 AsylbLG) und den “Grundleistungen„ (§ 3 AsylbLG) zu gewähren und den über 2.918,04 Euro hinausgehenden Nachzahlungsbetrag in voller Höhe auszugleichen und mit 4 % zu verzinsen. Die weitergehende Klage und die Klage des E.M. hat es abgewiesen. Hinsichtlich der Verzinsung führt das SG zur Begründung aus, dass der Zinsanspruch auf § 44 SGB I beruhe. Da das AsylbLG “materielles Sozial(hilfe)recht„ beinhalte, sei trotz des Umstandes, dass es nicht zum Sozialgesetzbuch rechne, kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könne, insoweit von einer Verzinsung abzusehen.
Gegen das ihm am 27. Mai 2011 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21. Juni 2011 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt, soweit der Beklagte dazu verurteilt wurde, den Nachzahlungsbetrag mit 4 % zu verzinsen. Zur Begründung seiner Berufung führt er aus, dass kein Anspruch auf Verzinsung des Nachzahlungsbetrages bestehe. Voraussetzung für einen Zinsanspruch der Kläger sei, dass § 44 SGB I auf Leistungsansprüche nach dem AsylbLG anwendbar sei, da § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) keine eigene Verzinsungsregelung enthalte. Eine Verweisungsregelung in Bezug auf § 44 SGB I sei nicht in das AsylbLG aufgenommen worden. Es sei auch sachlich nicht gerechtfertigt, Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG Leistungsberechtigten nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) gleichzustellen. § 2 Abs. 1 AsylbLG erkläre das SGB XII nur entsprechend anwendbar. Zum anderen sei bei Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII den Besonderheiten des AsylbLG Rechnung zu tragen. Während die Leist...