Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Erlass einer Forderung. Zuständigkeit des Forderungsinhabers. Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens wegen Mietschulden. keine Unbilligkeit der Einziehung. zweckwidrige Verwendung von Unterkunftsleistungen. keine zeitliche Begrenzung der Einziehung des Aufrechnungsbetrages
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Erlass einer Forderung ist ausschließlich derjenige Leistungsträger befugt, der Inhaber des Anspruchs ist, nicht hingegen - zB bei Umzug - neu zuständig gewordene Leistungsträger.
2. Die bloße Unterdeckung des Regelbedarfs führt allein nicht zu einer Unbilligkeit iS des § 44 SGB 2.
Die Unbilligkeit der Einziehung einer (Darlehensrückzahlungs-) Forderung ist zu verneinen, wenn die Darlehensgewährung zur Begleichung von Mietschulden deswegen erforderlich wurde, weil die in tatsächlich anfallender Höhe gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung (teilweise) zweckwidrig verbraucht wurden.
3. Die Einziehung einer Forderung ist, auch soweit existenzsichernde Leistungen betroffen sind, in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Erlass einer Forderung streitig.
Der am … 1959 geborene Kläger und die am … 1964 geborene Klägerin standen, nachdem sie zuvor bis zum 31.08.2008 bei der ARGE A. im Leistungsbezug standen, seit dem 01.09.2008 beim Beklagten in Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); sie meldeten sich dort erstmals am 27.08.2008.
Die Kläger bewohnen, zeitweise gemeinsam mit dem am … 1991 geborenen Sohn der Klägerin, eine Zwei- Zimmer- Wohnung mit einer Wohnfläche von 52,80 m² unter der im Rubrum bezeichneten Anschrift, für die eine Grundmiete von 264,- € zzgl. einer Vorauszahlung auf die Nebenkosten i.H.v. 97,- € monatlich, d.h. insg. ein Betrag von 361,- € monatlich zu entrichten ist. Der Beklagte legte seiner Leistungsgewährung jeweils diese tatsächlichen Aufwendungen kopfteilig zu Grunde.
Mit Schreiben vom 05.05.2010 wurde dem Beklagten durch das Amtsgericht Mannheim mitgeteilt, dass dort eine Klage auf Räumung und Herausgabe der von den Klägern bewohnten Wohnung anhängig sei. Es bestünden Mietrückstände der Kläger gegenüber dem Vermieter i.H.v. 1.376,90 €. Klägerseits wurde hierzu - sinngemäß - angeführt, die Mietzinszahlungen seien im Hinblick auf geltend gemachte Mängel der Mietsache gemindert worden.
Anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 02.06.2010 beantragte die Klägerin die Gewährung eines Darlehens i.H.v. 1.376,90 € zwecks Begleichung der Mietrückstände. Da sich der Kläger in Privatinsolvenz befinde, müsse sie allein als Darlehensnehmerin auftreten. Mit (bestandskräftigem) Bescheid vom gleichen Tag bewilligte der Beklagte der Klägerin das beantragte Darlehen nach § 22 Abs. 5 SGB II. Der Betrag werde, so der Beklagte, direkt an den Vermieter ausgezahlt. Das zinslos gewährte Darlehen werde ab dem 01.07.2010 in monatlichen Raten i.H.v. 30,- € gegen die Leistungen der Klägerin aufgerechnet. Die Klägerin trat hierzu unter dem 02.06.2010 zur Tilgung des Darlehens ihre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. monatlich 30,- € ab dem 01.07.2010 an den Beklagten ab, der dies berücksichtigte und Leistungen teilweise in dieser Höhe nicht ausbezahlte.
Am 09.05.2012 beantragten die anwaltlich vertretenen Kläger die Restzahlung i.H.v. 1.059,20 €, die derzeit mit “wohl 50,- € monatlich abgetilgt" werde, auf Grundlage des § 44 SGB II zu erlassen. Es sei unangemessen, eine Bedarfsgemeinschaft länger als ein Jahr mit der Abzahlung von Ansprüchen des Jobcenters Mannheim zu belasten. Die Bedarfsgemeinschaft müsse verfassungswidrigerweise unterhalb des Existenzminimums leben. Gleichzeitig wurde beantragt, die Verrechnungen auf 10 % der Regelleistung, konkret auf 37,- € monatlich, zu reduzieren. Derzeit würden 55,- € monatlich verrechnet. Ergänzend wurde durch die Kläger mitgeteilt, dass sich der Erlassantrag selbstverständlich auch auf die gegen die Klägerin “gehegte Forderung in Höhe von 2.098,72 €, resultierend aus dem Bescheid vom 27.05.2008" beziehe.
Mit Bescheid vom 30.05.2012 lehnte der Beklagte den Erlass der Forderung ab. Die Restforderung betrage derzeit 833,33 € und resultiere aus dem Darlehen vom 02.06.2010 i.H.v. 1.376,90 €. Es läge, so der Beklagte, keine Unbilligkeit im Sinne des § 44 SGB II vor, weswegen die offene Forderung nicht erlassen werde. Der monatliche Zahlbetrag sei, wie gewünscht, auf 33,70 € reduziert worden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2012 zurück. Die Rückzahlung von Darlehen richte sich, so der Beklagte, nach § 42a SGB II. Demnach würden, solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezögen, Darlehensrückzahlungen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch e...