Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Erlass. Anspruch. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen. Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts. Vertrauensschutz. mindestens grob fahrlässige unrichtige/unvollständige Angaben. Verschweigen von Vermögen. Ermessensausübung. persönliche oder sachliche Unbilligkeit der Einziehung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines Erlasses von grundsicherungsrechtlichen Erstattungsforderungen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16.01.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Erlass der gegen die Klägerin gerichteten Forderung in Höhe von 44.764,75 € streitig.
Die 1982 geborene, alleinstehende Klägerin bezieht seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten. Neben dem Leistungsbezug erzielte sie unregelmäßig Einkünfte aus verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen als Pferdepflegerin, die sich auf monatliche Beträge zwischen 98,00 € und 200,00 € beliefen und die vom Beklagten bei der Berechnung der Leistungen berücksichtigt wurden.
Bei erstmaliger Antragstellung im August 2004 gab die Klägerin im Antragsvordruck unter der Rubrik VII durch Ankreuzen der entsprechenden Felder an, dass sie kein Vermögen besitze, das den Wert von 4.850,00 € übersteige. Auf Anforderung des Beklagten legte die Klägerin im Juli 2005 Kontoauszüge ihres bei der Vbank F geführten Girokontos (Nr. ...3) mit einem Kontostand in Höhe von 48,28 € am 11.07.2005 vor und gab an, sie habe einen Bausparvertrag mit einem Guthaben in Höhe von 120,00 €. Mit ihren im weiteren Verlauf gestellten Weiterbewilligungsanträgen gab die Klägerin in den stets eigenhändig unterschriebenen Antragsvordrucken jeweils durch Ankreuzen an, in ihren Vermögensverhältnissen hätten sich keine Änderungen ergeben. Der Beklagte bewilligte der Klägerin ab dem 01.01.2005 auf ihre jeweiligen Anträge Leistungen nach dem SGB II, ohne bei der Bedarfsberechnung Vermögen zu berücksichtigen.
Im Mai 2011 wurde dem Beklagten bekannt, dass die Klägerin Versicherungsnehmerin einer Kapitallebensversicherung bei der R Versicherung (Nr. ...-6) war, und er teilte der Klägerin mit Schreiben vom 11.05.2011 mit, wegen des noch nicht geregelten Verwertungsausschlusses würden die Leistungen ab Juni 2011 zunächst zurückgehalten. Im Juni 2011 vereinbarte die Klägerin mit dem Versicherungsunternehmen ein Verwertungsverbot. Der Beklagte hob die Bewilligung von Leistungen mit Bescheid vom 26.07.2011 für die Zeit vom 01.06.2011 bis zum 29.06.2011 auf und bewilligte laufende Leistungen wieder ab 30.06.2011.
Durch Datenabgleiche in den Jahren 2011 und 2012 wurde dem Beklagten bekannt, dass die Klägerin aus weiteren Vermögenswerten Kapitalerträge erzielt hatte. Die anschließende Sachverhaltsprüfung ergab Bankguthaben der Klägerin in Gestalt eines Sparbuches bei der Vbank F (Nr. ...6) mit einem Kontostand in Höhe von 5.947,60 € am 06.12.2004 sowie in Höhe von 6.374,18 € am 25.11.2010 und eines Psparbuches (Nr. ...2) mit einem Kontostand in Höhe von 1.700,00 € am 04.02.2008 sowie in Höhe von 5.772,38 € am 25.07.2011. Im Zeitraum vom 04.07.2011 bis zum 05.11.2012 wurden von dem Sparbuch bei der Vbank F (Nr. ...6) insgesamt 8.930,00 € in Beträgen zwischen 300,00 € und 2.500,00 € abgehoben und im selben Zeitraum 3.100,00 € eingezahlt. Von dem Psparbuch (Nr. ...2) wurden 5.000,00 € am 25.10.2011, 500,00 € am 05.12.2012 und 280,00 € am 04.03.2013 abgehoben.
In der zum Weiterbewilligungsantrag vom 31.01.2013 vorgelegten Anlage zur Feststellung der Vermögensverhältnisse gab die Klägerin diese beiden Sparkonten erstmals an. Das Sparbuch bei der Vbank F (Nr. ...6) wies am 31.12.2012 einen Kontostand in Höhe von 9,36 € aus und das Psparbuch (Nr. ...2) wies am 05.12.2012 einen Kontostand in Höhe von 284,02 € aus.
Nach am 14.05.2013 erfolgten Anhörungen nahm der Beklagte die für die Zeit seit dem 01.01.2005 ergangenen Bewilligungsbescheide durch Rücknahme- und Erstattungsbescheide vom 12.09.2013 für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 28.02.2013 zurück und forderte von der Klägerin die Rückzahlung der erbrachten Leistungen.
Die Klägerin erhob zunächst am 30.10.2013 jeweils Widerspruch gegen diese Bescheide, räumte in den zur Begründung ihrer Widersprüche übersandten anwaltlichen Schreiben vom 14.03.2014 dann jedoch ein, der den Bewilligungszeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005 betreffende Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 12.09.2013 sei rechtmäßig, da Vermögen vorgelegen habe, welches die Hilfebedürftigkeit ausgeschlossen habe. Den gegen den den Bewilligungszeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005 betreffenden Rücknahme- und Erstattungsbescheid eingelegten Widerspruch nahm die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 14.03.2014 zurück, da dieser Bescheid „nach Prüfung der Sach- und Rechtslage...