Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. selbstbeschaffte Heilbehandlungsmaßnahmen. Kostenerstattung durch den Unfallversicherungsträger in entsprechender Anwendung des § 13 Abs 3 S 1 SGB 5. unaufschiebbare Leistung. unrechtmäßige Leistungsablehnung. rechtzeitige Überprüfungsmöglichkeit der Geeignetheit. Entscheidungskompetenz des Durchgangsarztes. stationärer Klinikaufenthalt. stationäre Mehrkosten. privatärztliche Abrechnung: Behandlungsvertrag und Wahlleistungsvereinbarung. Fehlerhafte ärztliche Aufklärung. Auswahlermessen. Entscheidungsbefugnisse des Durchgangsarztes
Leitsatz (amtlich)
1. Wahlleistungsvereinbarungen können keine Leistungen erfassen, die vor der Vereinbarung erbracht worden sind.
2. Dem Unfallversicherungsträger muss vor Durchführung der Behandlung die Überprüfung ermöglicht werden, ob die selbstgewählte Maßnahme geeignet ist.
3. Der Durchgangsarzt entscheidet nur darüber, ob eine stationäre oder ambulante Behandlung erforderlich ist, er hat nicht die Rechtsmacht im Namen des Unfallversicherungsträgers eine Willenserklärung nach § 13 SGB 5 abzugeben.
Orientierungssatz
Zu den Voraussetzungen des entsprechend anwendbaren § 13 Abs 3 S 1 SGB 5 hinsichtlich der Kostenübernahme durch den Unfallversicherungsträger für selbstbeschaffte Leistungen.
Normenkette
SGB V § 13 Abs. 3 S. 1; KHEntgG § 17; SGB I § 32; SGB VII § 26 Abs. 5 S. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten, die dem Kläger anlässlich eines stationären Klinikaufenthaltes in Rechnung gestellt worden sind.
Der 1950 geborene Kläger ist bei der A. P. Krankenversicherungs-AG seit 2011 mit einem jährlichen Selbstbehalt von 1.320 € freiwillig gegen Krankheit versichert.
Bei einem Arbeitsunfall am 10. Oktober 2011 zog er sich eine distale Bizepssehnenruptur rechts zu, weswegen er stationär vom 19. bis 24. Oktober 2011 in der F.-S.-Klinik in B. von dem Chefarzt der dortigen Klinik für Unfall-, Hand- und Orthopädische Chirurgie, Dr. H., der eine Zulassung als Durchgangsarzt hat, behandelt wurde. Am 19. Oktober 2011 schloss der Kläger mit der Trägerin der Klinik, der Kliniken des Landkreises K. gGmbH, nicht nur einen Behandlungsvertrag, sondern traf mit dieser auch eine Wahlleistungsvereinbarung, insbesondere hinsichtlich der wahlärztlichen Behandlung durch die Chefärzte und Leitenden Ärzte (Wahlärzte). Die Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erstreckte sich auf alle an seiner Behandlung beteiligten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der voll- und teilstationären sowie einer vor- und nachstationären Behandlung (§ 115a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V) berechtigt sind, einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses.
Wegen einer Behandlung des Klägers in der F.-S.-Klinik in B. fragte die Beklagte dort mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 an, woraufhin ihr am 26. Oktober 2011 die Entlassungs- und Operationsberichte von Dr. H. sowie der Bericht über eine auf dessen Veranlassung durchgeführte histologische Untersuchung im Städtischen Klinikum in K. übersandt worden waren.
Für die stationäre Behandlung des Klägers stellte die Trägerin der F.-S.-Klinik der Beklagten einen Betrag von insgesamt 2.657,99 € in Rechnung, der von dieser im November 2011 beglichen wurde.
Nachdem die Beklagte “eine Entschädigung für das Ereignis … abgelehnt„ hatte (Bescheid vom 29. Februar 2012, Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2012), stellte das Sozialgericht Mannheim (SG) im anschließenden Klageverfahren S 4 U 2./12 fest, dass die Muskelverformung am rechten Oberarm und die Narbenbildung in der Ellenbeuge mit druckschmerzhafter Vorwölbung am Speichenhals nach operativer Rekonstruktion eines Risses der körperfernen Bizepssehne rechts Folgen des Arbeitsunfalls vom 10. Oktober 2011 sind und verurteilte die Beklagte, “dem Kläger entsprechende Leistungen zu gewähren„.
Die Trägerin der F.-S.-Klinik in B. verlangte vom Kläger einen Betrag von insgesamt 961,05 €, die Städtische Klinikum K. gGmbH forderte wegen einer in ihrer Klinik veranlassten histologischen Untersuchung einen Betrag von 107,05 €, zusammen also 1.068,10 €, was sich wie folgt zusammensetzte:
|
Behandlungsdatum |
Rechnungsdatum |
Leistungsort |
Anlass |
Betrag |
13. Oktober 2011 |
16. November 2011 |
F.-S.-Klinik, Anästhesiologie |
Beratung, Untersuchung |
41,56 € |
19. Oktober 2011 |
16. November 2011 |
F.-S.-Klinik, Anästhesiologie |
Intubationsnarkose |
330,45 € |
19. Oktober 2011 |
6. Dezember 2011 |
F.-S.-Klinik, Chirurgie |
Operation, Nachbehandlung |
556,78 € |
20. Oktober 2011 |
29. Januar 2012 |
Städtisches Klinikum K. |
Histologische Untersuchung |
107,05 € |
21. Oktober 2011 |
17. April 2012 |
F.-S.-Klinik |
Radiographie |
32,26 € |
Nachdem der Kläger die Rechnungen begliche...