Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Ermittlung der angemessenen Heizkosten. Nichteignung des Computerprogrammes Heikos 2.0. unangemessene Heizkosten durch energetisch ungünstigen Standard der Unterkunft. keine Pflicht zu Kostensenkungsmaßnahmen. Unwirtschaftlichkeit eines Umzugs
Leitsatz (amtlich)
Auch die Berechnung nach Heikos 2.0 ist nicht geeignet, die konkret-individuell angemessenen Heizkosten zu ermitteln. Es besteht deshalb kein Grund, von der in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Prüfung anhand eines Grenzwerts abzuweichen.
Orientierungssatz
Nicht nur ein zu unangemessenen Heizkosten führendes unwirtschaftliches Heizverhalten, sondern auch ein energetisch ungünstiger Standard der Unterkunft kann eine Pflicht des Hilfebedürftigen iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 zur Kostensenkung durch Umzug auslösen. Ein Wohnungswechsel wegen überhöhter Heizkosten als Kostensenkungsmaßnahme ist jedoch nur zumutbar, wenn auf dem Wohnungsmarkt Wohnungen zu Verfügung stehen, bei denen niedrigere Gesamtunterkunftskosten anfallen würden.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung erster Instanz.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung in der Zeit vom 1. November 2008 bis zum 28. Februar 2009, im Kern besteht Streit über die Angemessenheit der Heizkosten.
Der 1965 geborene, erwerbsfähige Kläger ist seit dem 28. März 2006 rechtskräftig geschieden; Unterhaltsansprüche bestehen nicht. Er bezog mit Unterbrechungen seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Durch polizeirechtliche Verfügung wurde er zum 3. November 2006 zur Vermeidung drohender Obdachlosigkeit in die städtische Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkunft in F., eingewiesen. Gem. § 2 der Gebührensatzung wurden monatliche Benutzungsgebühren i.H.v. € 259,42 monatlich (Nutzungsanteil € 217,15, Betriebskostenanteil € 42,27) festgesetzt (Gebührenbescheid der Stadt F. vom 15. November 2006). Darin nicht enthalten waren Strom, Heizung, Gas, Schädlingsbekämpfung. Die vom Kläger bewohnte Unterkunft umfasste 34,09 m² Wohnfläche und bestand aus einem Zimmer und Küche, in der sich auch die Dusche befand. Die Heizung erfolgte durch einen Gaseinzelofen je Raum, die Warmwasserbereitung hiervon getrennt mittels Elektroboilers. Die im Erdgeschoss gelegene Wohnung war unterkellert. Mit je einer Wand grenzte die Wohnung an eine Nachbarwohnung und ein nebenstehendes Gebäude; eine weitere lag zum Treppenhaus, so dass nur eine echte Außenwand bestand. Die Raumhöhe betrug ca. 2,40 m. Die Fenster waren doppelverglast. In dem 1950 erstellten Gebäude liegen auf drei Etagen insgesamt 10 Wohneinheiten (Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen), davon jeweils zwei im Erdgeschoss. Im Jahre 2010 zog der Kläger innerhalb desselben Gebäudes in eine im Dachgeschoss gelegene Zwei-Zimmer-Wohnung.
Nach Einzug des Klägers wurde der Gasabschlag durch das städtische Energieversorgungsunternehmen in Absprache mit dem Kläger auf monatlich € 55.- festgesetzt. Mit der Turnusabrechnung vom 18. September 2007 wurde der Abschlag ab dem 1. November 2007 auf € 64.- monatlich erhöht. Für den Abrechnungszeitraum vom 2. November 2006 bis zum 30. August 2007 (302 Tage) wurde ein Gasverbrauch von 806 Kubikmetern und damit ein Energieverbrauch von 8.422 kWh ausgewiesen. Zum 1. November 2008 wurde der monatliche Abschlag auf € 93.- erhöht. Nach der Turnusabrechnung vom 28. September 2008 lagen der Gasverbrauch im maßgeblichen Abrechnungszeitraum vom 31. August 2007 bis 2. September 2008 (369 Tage) bei 1.257 Kubikmetern und der Energieverbrauch bei 13.134 kWh (Gesamtkosten € 1.006,48). Der durch die bisherigen Abschlagszahlungen nicht gedeckte Restbetrag von € 305,88 wurde am 2. Oktober 2008 fällig.
In einem Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2007 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass seine Heizkosten unangemessen hoch seien, und forderte ihn auf, diese zu senken. Bei der nächsten Nebenkostenabrechnung könnten diese Kosten nur noch in angemessener Höhe übernommen werden, wobei als angemessen im Falle des Klägers eine Heizkostenpauschale von € 52,65 gelte. Dagegen wandte der Kläger ein, die Heizkörper seien veraltet und nach Auskunft des Kundendienstes nicht mehr auf den neuesten Stand zu bringen. Im Rahmen eines hierzu geführten Rechtsstreites vor dem Sozialgericht Stuttgart (≪SG≫, S 3 AS 623/08) schlossen die Beteiligten am 10. April 2008 einen gerichtlichen Vergleich, wonach der Beklagte zusagte, die Heizkosten des Klägers in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, solange dem Kläger unwirtschaftliches Heizen nicht nachgewiesen worden sei. Der Kläger sagte zu, die Heizkosten im Rahmen seiner Möglichkeiten gering zu halten.
Für den Folgezeitraum vom 1. März bis ...