Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. elektronische Gesundheitskarte. Pflicht des Versicherten zur Aushändigung an behandelnden Vertrags(zahn)arzt. kein Verstoß gegen informationelle Selbstbestimmung. Dateninhalt. Sozialdatenschutz. Pflichtangaben. Einwilligung. Datensicherheit. Versichertenstatus. Statusergänzende Angaben
Leitsatz (amtlich)
1. Versicherte der GKV sind verpflichtet, dem behandelnden Vertrags(zahn)arzt vor Beginn der Behandlung zum Nachweis der Behandlungsberechtigung die elektronische Gesundheitskarte (eGK) auszuhändigen.
2. Der Umstand, dass die eGK geeignet sein muss, die in § 291a Abs 3 SGB V aufgeführten Anwendungen zu unterstützen, führt nicht zu einem Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten, da das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten zu diesem Zweck nur mit der Einwilligung der Versicherten gestattet ist.
3. Die eGK darf ohne Einwilligung des Versicherten nur die in § 291a Abs 1 SGB V genannten Daten enthalten. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie zB der Begriff "Versichertenstatus" dürfen nicht durch (normsetzende) Vereinbarungen im Range unterhalb des Parlamentsgesetzes ausgefüllt und "datenmäßig erweitert" werden.
Orientierungssatz
Zu Leitsatz 1 vgl BSG vom 18.11.2014 - B 1 KR 35/13 R = BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1.
Normenkette
SGB V §§ 291, 291a, 15, 264 Abs. 4 Sätze 3-4; SGB X § 67a Abs. 1 S. 1, § 67b Abs. 1 S. 1; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07.05.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Obliegenheit, die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen mittels elektronischer Gesundheitskarte (eGK) nachzuweisen. Der Kläger wehrt sich grundsätzlich gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und die Nutzung derselben. Er hält §§ 291a und 291b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) teilweise für verfassungswidrig.
Im August 2011 forderte die Beklagte vom Kläger ein Lichtbild an und bat um Überprüfung der persönlichen Daten zur Ausstellung der eGK. Mit Schreiben vom 25.02.2012 (Bl 20 SG-Akte S 3 KR 3629/12 ER) teilte der Kläger mit, dass er die eGK nicht verwenden wolle, da die Karte und die dahinter stehende Infrastruktur gegen seine Rechte auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung verstießen. Er wolle weiterhin seine alte Krankenversichertenkarte benutzen und bitte um Erneuerung der Karte nach altem Muster.
Die Beklagte erwiderte darauf mit Schreiben vom 04.04.2012 (Bl 19 SG-Akte S 3 KR 3629/12 ER), dass sie gesetzlich verpflichtet sei, die eGK einzuführen.
Mit Schreiben vom 31.05.2012 (Bl 18 SG-Akte S 3 KR 3629/12 ER) erhob der Kläger sodann Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2012 (Bl 13 SG-Akte S 3 KR 3629/12 ER) als unbegründet zurückwies. Zur Begründung erläuterte sie die auf der eGK enthaltenen Angaben und verwies darauf, dass das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten mittels der eGK nur mit dem Einverständnis des Versicherten zulässig sei.
Hiergegen hat der Kläger am 08.10.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und einstweiligen Rechtsschutz beantragt.
Mit Beschluss vom 23.10.2012 (S 3 KR 3629/12 ER) hat das SG den Antrag abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 30.11.2012 (L 11 KR 4746/12 ER-B) zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner aufrechterhaltenen Klage vor dem SG hat der Kläger vorgetragen, dass die eGK und die dahinter stehende Telematik-Infrastruktur gegen seine Rechte auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung verstießen. Es bestehe keine ausreichende Kontrolle, dass nicht zu einem späteren Zeitpunkt die auf der eGK gespeicherten Daten in falsche Hände kämen, insbesondere dass keine Speicherung in einer über das Internet vernetzten, potentiell unsicheren Telematik-Infrastruktur erfolge. Er verlange von der Beklagten, dass sein Versichertenstatus nicht über die Telematik-Infrastruktur übertragen werde. Dieser Versichertenstatus werde in bestimmten Fällen Informationen über seine Diagnosen enthalten, nämlich ggf über seine Teilnahme an einem strukturierten Behandlungsprogramm bei chronischen Krankheiten nach § 137f SGB V (sog Disease Management Programme - DMP). Diese DMP-Daten würden über das Internet übertragen, sobald der Antragsteller die eGK nutze. Es sei ihm nicht zumutbar, erst in dem Moment gegen die Preisgabe von Gesundheitsinformationen im Internet klagebefugt zu sein, wenn er zB als Diabetiker unter Schmerzen und Schwächeanfällen leide und er nur angemessen behandelt werden könne, wenn er an einem Programm teilnehme, bei dem seine Diagnosen über das Internet unsicher übertragen und unkontrolliert im Klartext gespeichert würden. Ein vernünftiger Kranker mache sich in...