Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme eines Hilfsmittels (hier: Hörgerät). Nichtanwendung der Genehmigungsfiktion bei medizinischer Rehabilitation. kein Anspruch des Versicherten auf optimale Versorgung
Orientierungssatz
1. Die Regelungen des § 13 Abs 3a SGB 5 finden allein auf Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (§ 33 Abs 1 S 1 Alt 1 SGB 5) Anwendung, denn als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind alle anderen Hilfsmittel vom Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB 5 ausgenommen (vgl ua BSG vom 15.03.2018 - B 3 KR 18/17 R = BSGE 125, 189 = SozR 4-2500 § 13 Nr 41 RdNr 22).
2. Eine Krankenkasse hat den Versicherten, die nach dem Stand der Hörgerätetechnik jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Dies schließt auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein (Anschluss an BSG vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R = BSGE 113, 40-60 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19).
3. Ein Versicherter hat Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine optimale Versorgung (stRspr vgl zB BSG vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R aaO).
4. Der Freiburger Sprachtest ist ein normiertes Verfahren und ermöglicht einen objektiven Vergleich von für den Versicherten konkret in Betracht kommenden geeigneten Hörgeräten. Ist ein Behinderungsausgleich beim Versicherten durch ein Hörgerät zum Festbetrag zu erreichen, besteht kein Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten.
5. Zum Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten eines Hörgeräts aus Sicht des Rentenversicherungs- und Rehabilitationsrechts.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14.11.2017 aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit zwei Hörgeräten über den Festbetrag hinaus.
Die 1955 geborene, bei der Beklagten aufgrund einer Beschäftigung als Lehrerin an einer Schule für geistig und körperbehinderte Kinder krankenversicherte und bei der Beigeladenen rentenversicherte Klägerin leidet an heriditärer pancochleärer hochgradiger Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Deshalb ist sie seit Ende der Neunziger Jahre mit Hörgeräten versorgt, wobei die Versorgung mit dem zweiten Hörgerät im Jahr 2004 durch die Beigeladene erfolgte. Seit dem Jahr 2011 erprobt die Klägerin verschiedene neue Hörgeräte. Aufgrund einer ohrenärztlichen Verordnung des HNO-Arztes Dr. H. vom 05.03.2015 über eine beidseits notwendige Hörhilfe erprobte sie über die Firma Hörakustik D. V. zwei Hörsysteme, darunter das eigenanteilsfrei angebotene digitale Hörgerät AS P 4 G2 (im Folgenden: AS; Anpassungsbericht vom 29.02.2016). Dieses verfügt über vier Kanäle (ermöglichen eine individuelle und feine Anpassung des Hörsystems an den Hörverlust), vier Hörprogramme (zur manuellen Einstellung auf unterschiedliche Situationen, wovon eines als TV- oder als Telefonprogramm eingestellt werden kann), Rückkopplungsunterdrückung, Störgeräuschunterdrückung und ein omnidirektionales sowie ein direktional-statisches Richtmikrofon. Mit dem AS erzielte die Klägerin nach dem Freiburger Sprachtest ein Sprachverstehen von 100 % (Nutzschall 65 dB ohne Störschall) sowie von 85 % (Nutzschall 65 dB mit Störschall 60 dB).
Die Klägerin beantragte (spätestens am 29.02.2016) unter Vorlage eines Kostenvoranschlags der Firma Hörakustik D. V. vom 24.10.2015 (Eingang bei der Beklagten nicht mehr nachvollziehbar) die Versorgung mit zwei Hörgeräten des Systems widex HdO DREAM 440 D4-FS (im Folgenden: widex; zzgl. Fernbedienung, Ohrpassstück, Reparaturpauschale, NanoCare Cerumensiebe, Phone-DEX, TV-DEX sowie Drybox Avantgarde (Gesamtpreis: 5.621,45 EUR; Eigenanteil: 1.514,00 EUR). In Abweichung zum obigen Festbetragsgerät erzielte die Klägerin ausweislich des Anpassungsberichts vom 29.02.2016 nach dem Freiburger Sprachtest ein Sprachverstehen von 100 % (Nutzschall 65 dB ohne Störschall) sowie von 90 % (Nutzschall 65 dB mit Störschall 60 dB).
Unter dem 09.03.2016 teilte die Hörgeräteakustikmeisterin Sch. nach Beauftragung durch die Beklagte mit, eine Kostenübernahme könne in Höhe des Vertragspreises von 1.614,00 EUR erfolgen. Eine höherwertige Versorgung mit dem Wunschgerät der Klägerin sei nicht anzuerkennen. Beim zuzahlungspflichtigen Gerät werde lediglich ein 5 % besseres Hörverständnis bei Störschall gemessen. Dieser Unterschied sei zu akzeptieren und werde als Messtoleranz gewertet. Die Klägerin sei eigenanteilsfrei versorgbar.
Mit nicht mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehenen Bescheiden vom 23.03.2016 lehnte die Beklagte (sinngemäß) jeweils ab, die im Kostenvoranschlag geltend gemachten Aufwendungen in voller Höhe zu übernehmen. Sie führte aus, für das Hörgerät widex rechts werde ein Betrag i.H.v. 843,50 EUR abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung von 10,00 EUR, sowie für das Hörsystem des linken Ohrs ein Betrag i.H.v. 690,50 EUR abzüglich der g...