Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzarbeitergeldanspruch. Wirksamkeit der Antragstellung. Versäumung der Ausschlussfrist. Zugangsnachweis durch den Absender. Aufgabe zur Post. pandemiebedingte Einschränkungen
Orientierungssatz
Der Antrag auf Kurzarbeitergeld wird als öffentlich-rechtliche Willenserklärung bei Zugang bei der zuständigen Agentur für Arbeit wirksam. Das Übermittlungsrisiko bei Aufgabe zur Post trägt der Antragsteller auch bei pandemiebedingten Einschränkungen.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 08.04.2022 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Kurzarbeitergeld und eine pauschalierte Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 7.238,74 € für den Monat Februar 2021 sowie in Höhe von weiteren 489,02 € für den Monat März 2021.
Die Klägerin betreibt einen Flammkuchenhof. Mit Schreiben vom 29.01.2021 zeigte die Klägerin der Beklagten an, dass es in ihrem Betrieb von November 2020 bis voraussichtlich April 2021 zu Arbeitsausfall kommen werde. In dem Betrieb sei keine Betriebsvertretung (Betriebsrat) vorhanden.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 29.01.2021 das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls sowie der betrieblichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Kurzarbeitergeld in der Zeit vom 01.11.2020 bis 01.04.2021 an. Der Bescheid enthielt unter anderem folgende Ausführungen: „Das Kug ist jeweils für den Anspruchszeitraum (Kalendermonat) zu beantragen. (…) Diese Anträge müssen in einfacher Ausführung innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten zur Vermeidung von Rechtsnachteilen bei der Agentur für Arbeit M1 eingereicht werden. Die Ausschlussfrist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, für den Kug beantragt wird. Aufgrund von Anträgen, die nach Ablauf der jeweils maßgeblichen Ausschlussfrist bei der Agentur für Arbeit eingehen, können keine Leistungen gewährt werden.“
Am 09.04.2021 ging ein Antrag der Klägerin bei der Beklagten ein, mit dem Kurzarbeitergeld und eine pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für sechs Personen für den Monat März 2021 geltend gemacht wurden (insgesamt 8.636,06 €).
Mit E-Mail vom 01.06.2021 teilte die Beklagte dem Steuerberater der Klägerin mit, dass von der Klägerin für März 2021 eine Korrektur übersandt werden müsse. Leider sei der Februar 2021 nicht im System der Beklagten, daher verringerten sich die Bezugsmonate um einen Monat und die Leistungssätze müssten korrigiert werden.
Am 02.06.2021 wurde ein auf den 05.03.2021 datierter Antrag der Klägerin, mit dem Kurzarbeitergeld und eine pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für Februar 2021 geltend gemacht wurden (insgesamt 7.238,74 €), händisch in die E-Akte der Beklagten eingepflegt.
Mit Bescheid vom 02.06.2021 lehnte die Beklagte die beantragten Leistungen für Februar 2021 ab. Kurzarbeitergeld sei für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten zu beantragen. Diese Frist habe die Klägerin nicht gewahrt, denn ihr Antrag auf Leistungen für Februar 2021 sei erst am 01.06.2021 eingegangen, also nach Ablauf der Frist am 31.05.2021.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein. Zudem wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Geschäftsführung in Person von P1 habe den betreffenden Leistungsantrag, wie in allen anderen Fällen auch, fristgerecht bearbeitet und durch ihren Ehemann, P2, zur Post bringen lassen. Die Aufgabe zur Post sei am 05.03.2021 erfolgt, so dass aufgrund jeglicher Erfahrung ausgeschlossen sei, dass der Antrag, wie im angefochtenen Bescheid behauptet, erst am 01.06.2021 bei der Beklagten eingegangen sei. Selbst wenn die Angabe der Beklagten zum Eingang am 01.06.2021 zuträfe, so hätte die Klägerin die Frist ohne jegliches Verschulden versäumt, weshalb Wiedereinsetzung zu gewähren sei.
Auf interne Nachfrage konnte der mit dem Vorgang befasste Mitarbeiter der Beklagten, Tobias Strassner, nicht verbindlich bestätigen, dass der Antrag für den Monat Februar 2021 am 01.06.2021 per E-Mail beim Beklagten eingegangen sei. Allerdings sei der Steuerberater der Klägerin am 01.06.2021 darüber informiert worden, dass der Antrag bis zum 01.06.2021 um 14.39 Uhr noch nicht eingegangen sei (Aktenvermerk vom 23.06.2021).
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie verwies erneut auf die Ausschlussfrist von drei Monaten, die nicht eingehalten worden sei. Da es sich um eine materielle Ausschlussfrist handele, sei keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Kurzarbeitergeld und eine pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für Februar 2021 erst am 01.06.2021 erhalten.
Die Klägerin hat am 12.07.2021 Klage beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben (S 2 AL 1730/21). Der Leistungsantrag fü...