Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. stationäre Pflege. Vermögenseinsatz. Härtefall. Bestattungsvorsorgevertrag bzw Sterbegeldversicherung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen, wann eine sozialhilferechtlich schützenswerte Sterbegeldversicherung bzw ein Bestattungsvorsorgevertrag vorliegt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Hilfe zur stationären Pflege in der Zeit vom 26.6.2018 bis 31.1.2020 - ohne die Monate Februar und März 2019, in denen bedarfsdeckende Leistungen gewährt wurden.
Die 1945 geborene, mittlerweile verwitwete Klägerin ist pflegebedürftig, zunächst in Pflegegrad 2 und ab August 2018 in Pflegegrad 4. Seit 7.6.2018 lebt sie im B-Heim in W und wird dort vollstationär gepflegt.
Die Klägerin erhält eine Altersrente (215,41 €, ab 1.7.2018 monatlicher Zahlbetrag 222,36 €, ab 1.4.2019 in Höhe von 251,06 €) und Leistungen der Pflegekasse (in Pflegegrad 2: 770 €, ab 1.8.2018 in Pflegegrad 4: 1.775 € pro Monat). Neben einem Girokonto verfügte sie über zwei Sparkonten, Geschäfts- bzw. Genossenschaftsanteile in Höhe von 320 € (Bl. 111 VA) und eine Trauerfall-Direkt-Schutz Versicherung (Nr. 10110....) mit Zuwachs-Garantie der E Direkt Lebensversicherung AG mit einem Todesfallschutz über 8.788 € bzw. 9.036 € zum 31.10.2018 (Bl. 51, 269 VA), auf die sie monatlich 80,93 € zahlte (vgl. Kontoauszug Bl. 125 VA, vereinbart waren 49,59 €), der Rückkaufswert betrug 2.588 € bzw. zum 31.10.2018 2.668,83 € (Bl. 107, 269 VA); die Versicherung hatte am 1.8.2007 begonnen und dauerte lebenslang (lebenslange Todesfallversicherung, Bl. 287 VA). Begünstigt sind die Kinder der Klägerin. Ihr Ehemann verfügte ebenfalls über eine Trauerfall-Vorsorge-Versicherung bei der E Direkt (Nr. 101103...) mit einer Gesamtleistung von 4.259 € zugunsten der Klägerin (Bl. 53 VA). Der Rückkaufwert betrug 1.766,08 €. Für eine private Haftpflichtversicherung zahlten sie 97,54 € jährlich. Der Ehemann ist am 4.11.2018 verstorben. Seit 1.4.2019 bezieht die Klägerin laufende große Witwenrente in Höhe von 678,54 €. Wohngeld hat sie im streitigen Zeitraum noch nicht bezogen.
Das Pflegeheim stellte der Klägerin ab 1.7.2018 nach Pflegegrad 2 2.365,96 € in Rechnung (Bl. 243 VA), abzüglich der Leistungen der Pflegeversicherung verblieb ein Betrag von 1.595,96 € (Bl. 265 VA). In Pflegegrad 4 erhöhten sich die Heimkosten auf 3.668,04 €, abzüglich der Leistungen der Pflegeversicherung verblieb ein Betrag von 1.893,04 €.
Am 26.6.2018 beantragte die Tochter der Klägerin beim Beklagten die Übernahme der ungedeckten Pflegekosten als ergänzende Hilfe zur stationären Pflege. Sie legte u.a. Kontoauszüge und Unterlagen über die Versicherungen bei der E Direkt vor.
Mit Bescheid vom 15.11.2018 lehnte der Beklagte den Antrag ab (Bl. 337 VA). Nach Auswertung der aktenkundigen Unterlagen habe die Klägerin mit Stand 7.6.2018 über ein Vermögen von insgesamt 11.963,88 € verfügt.
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· Girokonto 520 027 02 |
5.106,57 € |
· Sparkonto 607 621 970 0 |
3.895,19 € |
· Sparkonto 476 219 701 |
17,60 € |
· Geschäftsanteile |
241,26 € |
· Geschäftsanteile |
34,43 € |
· Lebensversicherung (E), Rückkaufwert |
2.668,83 € |
Damit überschreite die Klägerin die für sie maßgebliche Vermögensfreigrenze von 10.000 € im Zeitpunkt der Antragstellung um 1.963,88 €. Mit dem übersteigenden Vermögen und ihrem Einkommen sei sie in der Lage, den sozialhilferechtlichen Bedarf selbst zu decken. Sobald das Vermögen bis zu einem Betrag von 10.000 € bei Verheirateten bzw. bis zu einem Betrag von 5.000 € bei Alleinstehenden aufgebraucht sei, könne die Klägerin erneut Leistungen nach dem SGB XII beantragen.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein (Bl. 375 VA). Der angefochtene Bescheid sei schon formell rechtswidrig, da in seiner Begründung weder der monatliche Bedarf noch das monatlich zur Verfügung stehende Einkommen gegenübergestellt werde. Im Übrigen bleibe unklar, ob sie nicht - wegen einer „Abschmelzung“ des Vermögens - wenigstens zu einem späteren Zeitpunkt Sozialhilfe beanspruchen könne. Auch auf den Tod des Ehemannes und die geänderte Vermögenslage durch den Erbfall gehe der Bescheid mit keinem Wort ein. Zudem beruhe der angeführte Rückkaufwert der „Trauerfall-Versicherung“ auf dem Stichtag 1.10.2018 und nicht 7.6.2018, wobei unberücksichtigt bleibe, dass der diesbezügliche Wertanstieg auf einer eigenen Beitragszahlung (monatlich 49,59 €) beruhe.
Der Beklagte forderte daraufhin aktualisierte Unterlagen an, die die Klägerin vorlegte. U.a. legte die Klägerin die Abrechnung des Bestattungsunternehmens über die Bestattungskosten für den Ehemann vor (Abrechnung der 1. W-Bestattungsunternehmen eG vom 30.11.2018, Bl. 387 VA). Danach verblieb bei der Klägerin aus der E Direkt Lebensversicherung des Ehemannes nach Abzug der Bestattungskosten ein Betrag von 1.992,86 € zu ihren Gunsten. Die Pflegekasse...