Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Kodierbarkeit der maschinellen Beatmung. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK). Akteneinsicht in Patientenakte. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 1 KR 40/17 R

 

Orientierungssatz

1. Es ist nicht statthaft, für die Kodierbarkeit der maschinellen Beatmung nach DKR 1001g allein auf das Vorliegen von (maschinellen) Beatmungsprotokollen abzustellen und eine anderweit (etwa durch händische Eintragungen in der Patientenakte) dokumentierte (nachgewiesene) Beatmung als nicht kodierbar einzustufen.

2. Akteneinsicht in Patientenakten ist nur dem MDK, ohne Einverständnis des Versicherten jedoch nicht der Krankenkasse zu gewähren (vgl LSG Stuttgart vom 14.12.2016 - L 5 KR 4875/14 RdNr 44).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.12.2018; Aktenzeichen B 1 KR 40/17 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.02.2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.373,37 € endgültig festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung der Krankenhausbehandlung eines Mitglieds der Klägerin.

Die Beklagte ist ein zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenes Universitätsklinikum (§ 108 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V). Vom 14.03.2008 bis 02.04.2008 wurde der 1946 geborene, bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherte, R. Sch. (im Folgenden: Versicherter) im Klinikum der Beklagten wegen der (Haupt-)Diagnose ICD (Internationale Klassifikation der Krankheiten) S06.33 (umschriebenes cerebrales Hämatom) stationär behandelt.

Mit Rechnung vom 30.04.2008 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Krankenhausbehandlung des Versicherten nach Maßgabe der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) für das Jahr 2008 (FPV 2008) eine Vergütung i.H.v. 40.379,95 €. Abgerechnet wurde (u.a.) die Diagnosis Related Group (DRG, Version 2008, im Folgenden nur: DRG) A11B. Diese setzt (u.a.) die Durchführung einer Beatmung über 249 und unter 500 Stunden voraus.

Die Klägerin zahlte den Rechnungsbetrag zunächst vollständig, beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) aber mit einer Abrechnungsprüfung.

Im MDK-Gutachten vom 25.11.2008 führte Dr. L. aus, eine invasive Beatmung des Versicherten könne vom 14.03.2008, 18.30 Uhr, bis 21.03.2008, 15.20 Uhr, bestätigt werden; auch am 26.03.2008, 06.45 Uhr bis 10.15 Uhr, sei eine Beatmung ableitbar. Mehr als 249 Beatmungsstunden könnten aber nicht bestätigt werden. Da für die Zeit vom 21.03.2008 bis 26.03.2008 keine Beatmungsprotokolle vorgelegt worden seien, könne man diesen Zeitraum nicht als Weaning (Entwöhnung von der Beatmung) einstufen. Abzurechnen sei die DRG A13C (Beatmung über 95 Stunden und unter 250 Stunden).

Nachdem die Beklagte weitere Beatmungsprotokolle vorgelegt hatte, führte Dr. L. im MDK-Gutachten vom 17.09.2009 aus, es bleibe bei einer Beatmungsdauer von unter 249 Stunden und der Einschlägigkeit der DRG A13C.

Unter dem 11.10.2010 stornierte die Beklagte die Rechnung vom 30.04.2008 und erstellte eine neue Rechnung über einen Vergütungsbetrag von 37.820,19 €. Abgerechnet wurde (u.a.) die DRG A11C. Diese setzt (ebenfalls) u.a. die Durchführung einer Beatmung über 249 und unter 500 Stunden voraus.

Die Klägerin befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten vom 31.01.2011 führte Dr. K. aus, die Beatmung des Versicherten sei nunmehr auch für die Zeit vom 14.03.2008, 17.50 Uhr, bis 21.03.2008, 22.30 Uhr, nachvollziehbar. Eine durchgängige Beatmung sei aber nicht dokumentiert. Bei durchgängig unauffälligen oder nicht durchgeführten Blutgasanalysen sei eine instabile respiratorische Situation, eine Abhängigkeit vom Respirator und somit eine Weaning-Situation nicht nachvollziehbar. Abzurechnen sei die DRG A13C.

Die Beklagte widersprach dem MDK-Gutachten vom 31.01.2011. Unter dem 10.08.2011 erläuterte die Ärztin G. (Abteilung für Medizincontrolling des Universitätsklinikums) die beim Versicherten auf der neurochirurgischen Intensivstation des Universitätsklinikums vorgenommene Beatmungsdokumentation und führte aus, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beatmungszeit ab 21.03.2008 nach 22.30 Uhr nicht anerkannt werde. Nach DKR (Deutsche Kodierrichtlinien, Version 2008, im Folgenden nur DKR) 1001g seien 281 Beatmungsstunden zu berücksichtigen und es sei die DRG A11C abzurechnen.

Mit Schreiben vom 25.02.2011 forderte die Klägerin die Rückzahlung eines Vergütungsbetrags von 12.933,13 €. Am 16.05.2011 zahlte die Beklagte der Klägerin einen Vergütungsbetrag von 2.559,76 € zurück. Mit Schreiben vom 25.07.2011 machte die Klägerin den Unterschiedsbetrag von 10.373,37 € geltend; weitere Rückzahlungen leistete die Beklagte nicht.

Am 28.11.2011 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Bremen. Dieses erklärte sich mit Beschluss vom 07.01.2013 (- S 8 KR 235/11 -) für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Sozialgericht ...

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