Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. Laktoseintoleranz
Leitsatz (amtlich)
Eine Laktoseintoleranz begründet keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eine Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 01.10.2010 bis 31.03.2011 streitig.
Die 1998 geborene Klägerin leidet unter Laktoseunverträglichkeit. Sie bezog im streitgegenständlichen Zeitraum gemeinsam mit ihrer alleinerziehenden Mutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes von dem Beklagten.
Mit Bescheid vom 26.08.2010 gewährte der Beklagte der Klägerin und ihrer Mutter für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.03.2011 monatlich Leistungen in Höhe von insgesamt 986,60 €; auf die Klägerin entfielen 67,00 € Sozialgeld (251,00 € - 184,00 € Kindergeld) und 258,81 € Kosten für Unterkunft und Heizung.
Am 27.12.2012 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Dem Antrag beigefügt war eine ärztliche Bescheinigung der Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dr. R. vom 14.12.2010, wonach bei der Klägerin eine Laktoseintoleranz festgestellt worden sei, die zur Folge habe, dass Milch und Milchprodukte nicht oder nur in sehr kleinen Mengen gegessen und getrunken werden dürften. Die spezielle laktosefreie Diäternährung sei teurer als normale Milchprodukte.
Mit Bescheid vom 07.01.2011 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung ab. Die angegebene Krankheit stelle keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts dar und sei nicht in dem Katalog der Mehrbedarfe für eine kostenaufwändige Ernährung enthalten. Die Kosten seien aus der Regelleistung zu bestreiten.
Der hiergegen am 10.01.2011 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2011 zurückgewiesen. Als Maßnahme der Wahl für Laktoseintoleranz sei die Meidung/Reduzierung laktosehaltiger Nahrungsmittel anzusehen, wodurch nach bisheriger Auffassung keine gravierend höheren Kosten entstünden. Eine Zulage komme bei besonders schweren Ausprägungen, zum Beispiel im ersten Lebensjahr in Betracht.
Hiergegen haben die Klägerin und ihre Mutter am 25.03.2011 Klage (S 20 AS 1595/11) beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.
Mit Änderungsbescheiden vom 25.03.2011, 24.05.2011, 28.02.2012 und 16.05.2012 erfolgte eine Neuberechnung der Leistungen, wobei jeweils höhere Kosten für Unterkunft und Heizung (zuletzt mit Bescheid vom 16.05.2012 für die Monate Oktober bis Dezember 2010 in Höhe von monatlich 293,48 € und für die Monate Januar bis März 2011 in Höhe von monatlich 320,85 €) bewilligt wurden, Sozialgeld aber weiterhin in Höhe von 67,00 € geleistet wurde. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wurde nicht berücksichtigt.
Nachdem die Klägerin am 15.01.2013 u.a. einen Nachweis über einen Zinsertrag im Jahr 2010 in Höhe von 11,95 €, der ihr im Dezember 2010 gutgeschrieben worden war, vorgelegt hatte, hat der Beklagte mit Bescheid vom 16.04.2013 die der Klägerin für Dezember 2010 gewährten Leistungen in Höhe von 11,95 € und die Bescheide vom 26.08.2010, 25.03.2011, 24.05.2011, 28.02.2012 und 16.05.2012 insoweit aufgehoben.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2012 hat die Klägerbevollmächtigte den Antrag auf Leistungen an die Klägerin beschränkt. Das SG hat deren Klage mit Urteil vom 13.01.2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Krankheit, an der die Klägerin leide, sei nicht mit höheren Kosten für Ernährung verbunden. Der Milchzuckerunverträglichkeit könne durch die Vermeidung laktosehaltiger Kost begegnet werden. Alle anderen Grundnahrungsmittel könnten konsumiert werden. Die Krankheit sei nicht mit den Krankheiten vergleichbar, für die nach den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. eine Krankenkostzulage vorgesehen sei. Vielmehr handle es sich um eine in der Bevölkerung weit verbreitete Lebensmittelunverträglichkeit. Deswegen gebe es inzwischen ein breites Angebot preisgünstiger laktosefreier Milchprodukte. Weitere Ermittlungen seien vor diesem Hintergrund entbehrlich.
Auf die vom SG zugelassene Sprungrevision hat das Bundessozialgericht (BSG) die Sache mit Urteil vom 14.02.2013 (B 14 AS 48/12 R) das Urteil des SG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen. Die bei der Klägerin festgestellte Laktoseintoleranz stelle eine Krankheit im Sinne eines regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustands dar. Insoweit sei es unerheblich, wie weit verbreitet dieser krankhafte Zustand in der Bevölkerung sei. Die Annahme des SG, eine Laktoseintoleranz begründe von vornherein keinen Mehrbedarf, weil...