Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. Laktoseintoleranz. Heranziehung der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge. keine Mehrkosten. Zumutbarkeit von Einsparungen bei anderen Lebensmitteln

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine kostenaufwändige Ernährung, die nach § 21 Abs 5 SGB 2 einen Mehrbedarf auslöst, ist bei einer Laktoseintoleranz in der Regel nicht erforderlich.

2. Bei der Feststellung, ob eine Laktoseintoleranz zu einem Mehrbedarf auslösenden Kostenaufwand führt, können die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe in der vierten Auflage vom 10.12.2014 grundsätzlich als antizipiertes Sachverständigengutachten herangezogen werden.

3. Zur Zumutbarkeit von Einsparmöglichkeiten durch Umschichtung innerhalb der in der Regelleistung enthaltenen Beträge.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Leistungszeitraum 01.10.2010 bis 31.03.2011.

Die 1998 geborene Klägerin lebt mit ihrer alleinerziehenden Mutter in einer Bedarfsgemeinschaft. Im streitgegenständlichen Zeitraum bezog die Bedarfsgemeinschaft vom Beklagten laufende Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerin leidet an Laktoseintoleranz.

Am 27.12.2010 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines ärztlichen Attests beim Beklagten die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

Mit Bescheid vom 07.01.2011 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 01.10.2010 bis 31.03.2011, ohne jedoch den begehrten Mehrbedarf zu berücksichtigen. Gegen den Bewilligungsbescheid erhoben die Klägerin und ihre Mutter am 10.01.2011 Widerspruch mit dem Begehren, einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung anzuerkennen. Sie dürfe aufgrund ihrer Erkrankung Milch und Milchprodukte nicht bzw. nur in sehr kleinen Mengen zu sich nehmen und sei daher auf laktosefreie Nahrung angewiesen, die teurer sei als normale Milchprodukte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2011 wies der Beklagte den Widerspruch vom 10.01.2011 als unbegründet zurück. Die angegebene Krankheit stelle keinen nach § 21 Abs. 5 SGB II unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts dar und sei nicht im Katalog der Mehrbedarfe für eine kostenaufwändige Ernährung enthalten. Bei einer Laktoseintoleranz seien laktosehaltige Nahrungsmittel zu meiden oder zu reduzieren, wodurch keine gravierend höheren Kosten entstünden.

Mit Änderungsbescheiden vom 25.03.2011, 24.05.2011, 28.02.2012, 16.05.2012 sowie 16.04.2013 erfolgte jeweils eine Neuberechnung des Leistungsanspruchs der Bedarfsgemeinschaft der Höhe nach. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung wurde nach wie vor nicht berücksichtigt.

Mit Schriftsatz vom 25.03.2011, eingegangen beim Gericht am selben Tag, hat die Klägerin zusammen mit ihrer Mutter Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben.

Mit Urteil vom 13.01.2012 hat das Sozialgericht Freiburg die Klage abgewiesen (S 20 AS 1559/11). Die Krankheit, an der die Klägerin leide, sei nicht mit höheren Kosten für Ernährung verbunden. Der Milchzuckerunverträglichkeit könne durch die Vermeidung von laktosehaltiger Kost begegnet werden. Alle anderen Grundnahrungsmittel könnten konsumiert werden. Die Krankheit sei nicht mit denen vergleichbar, für die nach den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge eine Krankenkostzulage vorgesehen sei. Vielmehr handele es sich um eine in der Bevölkerung weit verbreitete Lebensmittelunverträglichkeit. Deswegen gebe es inzwischen ein breites Angebot preisgünstiger laktosefreier Milchprodukte. Vor diesem Hintergrund seien weitere Ermittlungen entbehrlich.

Auf die vom Sozialgericht zugelassene Sprungrevision hat das Bundessozialgericht die Sache mit Urteil vom 14.02.2013 an das Sozialgericht zurückverwiesen (B 14 AS 48/12 R). Zur Begründung hat das Bundessozialgericht ausgeführt, das Sozialgericht Freiburg habe die Maßstäbe des § 21 Abs. 5 SGB II verkannt, indem es die zur Klärung des Vorliegens eines krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarfs erforderlichen Prüfungsschritte vermengt habe. Der Mehrbedarf sei entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Einzelfall aufzuklären.

Die Klägerin ist der Auffassung, es bestehe ein Anspruch auf höhere Leistungen zur Grundsicherung des Lebensunterhalts, weil aufgrund ihrer Erkrankung ein Mehrbedarfszuschlag wegen kostenaufwändiger Ernährung in den Bedarf einzustellen sei.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 07.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2011 sowie des Änderungsbescheides vom 16.04.2013 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum Oktober 2010 bis März 2011 Le...

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