Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Heizkosten. Warmwasseraufbereitung über Heizung. Abzug dieser Kosten von sonstigen Heizkosten. Kabelanschlussgebühren. verfassungskonforme Auslegung. sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Erfolgt die Warmwasserbereitung über die Heizung, sind die entsprechenden Kosten mit der Regelleistung abgegolten, weshalb sie aus den sonstigen Heizkosten herauszurechnen sind.
2. In der Regelleistung ist nur ein Anteil von 6,23 Euro hierfür enthalten, sodass die in Baden-Württemberg verbreitete Praxis des Abzugs von 9 Euro monatlich Bedenken begegnet. Werden die Warmwasserbereitungskosten konkret abgerechnet, ist dieser Betrag anzusetzen.
Orientierungssatz
1. Bei der Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung handelt es sich um eine eigenständige, abgrenzbare Verfügung, wobei sich die rechtliche Trennbarkeit von den übrigen Verfügungen des Bewilligungsbescheids aus § 6 Abs 1 SGB 2 iVm § 19 S 2 SGB 2 ergibt, so dass von einem abtrennbaren Streitgegenstand auszugehen ist (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = FEVS 58, 259).
2. Auch bei einer zulässigen Klageänderung iS des § 99 Abs 1 und 2 SGG muss die Voraussetzung eines Vorverfahrens iS des § 78 Abs 1 S 1 SGG vorliegen, wenn es um einen anderen Streitgegenstand geht. Auch das Gericht kann unzulässige Klagen nicht als sachdienlich zulassen, sondern hat vor einer Klageabweisung wegen Unzulässigkeit aus Gründen der Prozessökonomie in der Regel Gelegenheit zu geben, das Widerspruchsverfahren noch nachzuholen (vgl BSG vom 21.11.2002 - B 3 KR 13/02 R = BSGE 90, 143 = FEVS 54, 444).
3. Eine unzulässige Rückwirkung durch den ab 1.8.2006 geltenden Art 1 Nr 19 Buchst a GSiFoG, der ausdrücklich die Aufwendungen für Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile dem Regelbedarf in § 20 Abs 1 SGB 2 zuordnet, liegt nicht vor. Durch diese Regelung hat der Gesetzgeber lediglich die schon zuvor weit überwiegend vertretene Ansicht bestätigt, eine Änderung der Rechtslage ist hierdurch nicht eingetreten.
4. Gebühren für den Kabelanschluss stellen nur dann einen unausweichlichen Nebenkostenfaktor der konkreten Wohnung dar und dürfen aus den Unterkunftskosten nicht herausgerechnet werden, wenn sie (laut Mietvertrag) zwingend vom Vermieter verlangt werden (vgl BVerwG vom 28.11.2001 - 5 C 9/01 = BVerwGE 115, 256).
5. Durch die Nichtübernahme von Kabelanschlussgebühren als Kosten der Unterkunft wird das Recht auf Informationsfreiheit nach Art 5 Abs 1 S 1 GG jedenfalls dann nicht verletzt, wenn die Möglichkeit besteht, dem Informationsbedürfnis durch Radio und Fernsehen über die Gemeinschaftsantenne, deren Kosten im Rahmen der Nebenkosten anerkannt sind, nachgegangen werden kann.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. April 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 31. Mai 2006 wirkungslos ist.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005.
Die 1955 geborene Klägerin bezog bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe. Am 27. August 2004 beantragte sie die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Kaltmiete für ihre 48 qm große Wohnung betrug 286,33 €, daneben machte sie eine Heizkostenvorauszahlung von monatlich 30,68 €, Nebenkosten in Höhe von 79,22 € und sonstige Wohnkosten (Telefon, GEZ, Kabel) in Höhe von 54,05 € geltend.
Mit Bescheid vom 26. November 2004 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 704,12 €, davon für Unterkunft und Heizung 359,12 €. Den auf vollständige Übernahme der Unterkunftskosten gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2005 zurück. Kosten der Unterkunft und Heizung errechneten sich aus Grundmiete und Heizkosten abzüglich 9,00 € für die Kosten der Warmwasseraufbereitung sowie laufende Nebenkosten in Höhe von 52,20 €. Mit Änderungsbescheid vom 6. April 2005 erhöhte die Beklagte die Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2005 um 31,00 € monatlich. Hierbei berücksichtigte sie eine von der Klägerin vorgelegte Abrechnung der Stadtwerke P., wonach die Klägerin ab März 2005 monatliche Abschläge in Höhe von 35,00 € für Strom, 9,00 € für Wasser, 10,00 € für Abwasser und 12,00 € für Abfall zu leisten habe.
Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Juni 2005 für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2005 Leistungen in Höhe von 735,12 €, davon 390,12 € für Kosten der Unterkunft. Mit Änderungsbescheid vom 16. Juni 2005 berücksichtigte die Beklagte ab Juli 2005 Kosten der Unterkunft in Höhe von nur noch 367,12 € (Kaltmiete 286,32 €, Heizkosten 30,68 € abzüglich 9,00 €, jeweils 5,11 € für Fernsehgemeinschaftsantenne/Beleuchtung und Fahrstuhl, 17,90 € Kabelanschluss und 31,00 € Wa...