Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe für Deutsche im Ausland. gewöhnlicher Aufenthalt in Thailand. Leistungsausschluss. unabweisbare außergewöhnliche Notlage nach § 24 SGB 12. Nachweis eines Hinderungsgrundes. Verfassungsmäßigkeit. Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Deutsche Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland sind vom Bezug von Sozialhilfe grundsätzlich ausgeschlossen.
2. Nur ausnahmsweise kommen Sozialhilfeleistungen in das Ausland in Betracht, wenn eine unabweisbare außergewöhnliche Notlage gegeben und zusätzlich einer der in § 24 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 3 SGB 12 abschließend aufgezählten Hinderungsgründe für die Rückkehr nach Deutschland nachgewiesen ist.
3. Die Vorschrift des § 24 Abs 1 SGB 12 ist verfassungsgemäß.
Orientierungssatz
Der Sozialhilfeträger im Inland ist als überörtlicher Sozialhilfeträger für die Leistungserbringung bei kurzfristigen Krankenhausbehandlungen - wie hier bei einem Deutschen im Ausland - sachlich nicht zuständig. Dies ergibt sich aus dem Nachranggrundsatz des § 24 Abs 2 SGB 12, der greift, solange und soweit auch vorrangige Leistungen nach § 5 KonsG in Betracht kommen (vgl LSG Darmstadt vom 3.3.2006 - L 7 SO 38/05 ER).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von sozialhilferechtlicher Krankenhilfe im Ausland durch Übernahme von Krankenbehandlungskosten seitens des Beklagten in der Zeit vom 22. April 2005 bis 6. Januar 2006.
Der am … 1947 in B./Baden geborene und dort zuletzt wohnhafte Kläger, deutscher Staatsangehöriger, hält sich seit rund 20 Jahren in Thailand auf und hat dort in Chiang Mai seinen Wohnsitz. Er ist seit November 1995 mit einer Thailänderin (geb. 1973) verheiratet, die wegen der Versorgung ihrer Eltern von ihm inzwischen getrennt in Bangkok lebt. Aus dieser Ehe sind zwei Söhne (geb. 1996 und 2002) hervorgegangen; der ältere Sohn besucht seit März 2004 die Christliche Deutsche Schule in Chiang Mai und soll bei seinem Vater wohnen, der jüngere Sohn lebt bei seiner Mutter in Bangkok. Der Kläger bezog von der Württembergischen Lebensversicherung AG in der fraglichen Zeit eine vierteljährlich zur Auszahlung gelangende private Berufsunfähigkeitsrente (rund 830,00 Euro monatlich) sowie von der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v.H. (rund 325,00 Euro monatlich). Eine Krankenversicherung besteht nicht. Der Kläger soll nach seinen Angaben gegenüber der Deutschen Botschaft in Thailand im Mai 2005 seinerzeit laufende monatliche Aufwendungen u.a. für Miete (15.000,00 Thailändische Baht ≪THB≫), Unterhalt (10.000,00 THB) sowie Schulgeld (10.000,00 THB) gehabt haben. Ab Februar 2005 war der Kläger als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt (Bescheid des Landratsamts Rastatt vom 21. Dezember 2005).
Am 4. April 2005 suchte der Kläger wegen bereits seit Ende 2004 bestehender chronischer Heiserkeit ein Krankenhaus in Thailand auf, wo sich laryngoskopisch die Diagnose eines Kehlkopf-Karzinoms (Stadium T3 N1 M0) mit Ausbreitung auf die Stimmbänder ergab, die durch eine Biopsie am 8. April 2005 bestätigt werden konnte. Am 22. April 2005 ließ sich der Kläger im B. International Hospital in Bangkok (i. F. B.H.) untersuchen; die Krebserkrankung wurde dort aufgrund einer am 1. Mai 2005 durchgeführten Kernspintomographie erneut verifiziert. Da der Kläger einen chirurgischen Eingriff ablehnte, wurde am 3. Mai 2005 mit einer organkonservierenden Behandlung (Strahlentherapie mit begleitender Chemotherapie) ambulant begonnen und diese am 24. Juni 2005 abgeschlossen; anscheinend wegen massiver Unterernährung musste der Kläger seinem Vorbringen zufolge vom 8. bis 16. Juni 2005 für etwa eine Woche stationär aufgenommen und vorübergehend künstlich ernährt werden. Anschließend erfolgten Nachbehandlungen, und zwar im Juli, August und Anfang September 2005 sowie am 6. Januar 2006 im B.H., ferner ab 26. September 2005 außerdem in Kliniken in Chiang Mai; dort wurde dem Kläger am 12. Oktober 2005 aufgrund eines Residuums erneut zur Operation geraten. Insgesamt fielen ausweislich der vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheinigung des B.H. vom 28. März 2008 für die dortige Behandlung im Zeitraum vom 22. April 2005 bis 6. Januar 2006 Kosten in Höhe von 391.127,00 THB an.
Bereits am 7. April 2005 hatte sich der Kläger per E-Mail hilfesuchend an das Landratsamt Rastatt gewandt, welches diese E-Mail am 8. April 2005 an den Beklagten weiterleitete. Am 14. April 2005 gab der Kläger dem Landratsamt per E-Mail ergänzend an, vom behandelnden Arzt die Auskunft erhalten zu haben, dass dort keine Behandlungsmöglichkeiten bestünden und er sich in Deutschland operieren lassen solle. Die bereits vor Ort durchgeführten Untersuchungen (EKG, Computertomographie, Blutuntersuchungen) hätten...