Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsverfahren. Sozialhilfe. Ablehnung der Übernahme von Bestattungskosten. Zumutbarkeit der Kostentragung. Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehegatten. Nachzahlung von Sozialhilfe. Besonderheiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung des § 74 SGB XII sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehegatten zu berücksichtigen.

2. Zur Anwendung des § 44 SGB X auf den Kostenübernahmeanspruch nach § 74 SGB XII bei bestandskräftig gewordenem Ablehnungsbescheid.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. April 2013 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Zugunstenverfahren über die Übernahme der Kosten für die Bestattung der am 22. Juni 2011 in B. verstorbenen L. M. (i.F. L.M.).

Die 1959 geborene Klägerin ist die Tochter der L.M (geb. 1929), die verwitwet gewesen war. L.M. hatte sechs Kinder, die beiden nichtehelich geborenen Töchter H. G. (geb. 1954; i.F. H.G.) und B. K. (geb. 1956; i.F. B.K.) sowie die Klägerin und die weiteren ehelich geborenen Kinder K. R. (geb. 1961; i.F. K.R.), S. R. (geb. 1963; i.F. S.R.) und P. R. (geb. 1971; i.F. P.R.). Eine letztwillige Verfügung hatte L.M. nicht hinterlassen. Die Klägerin und ihre Tochter N. D. (geb. 1984) schlugen die Erbschaft am 11. Juli 2011 aus, ebenso wie nachfolgend ihre beiden anderen Kinder B. B. (geb. 1982) und M. B. (geb. 1983). Auch die Schwestern der Klägerin, H.G., B.K. und S.R., schlugen die Erbschaft aus. Ausweislich des Beschlusses des Notariats -Nachlassgericht - B. vom 27. März 2012 ergab die vorläufige Erbermittlung nach weiteren Ausschlagungen, dass K.R. und P.R. Erben mit einem Erbteil von je zur Hälfte geworden waren. K.R. lebt in einem Wohnhaus der Lebenshilfe in E. und arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen; beides wird durch Eingliederungshilfe seitens des Landkreises L. finanziert. P.R., wohnhaft in L. (Württ.), war dem Vorbringen der Klägerin zufolge - ebenso wie S.R. - wegen Verwahrlosung bereits im Kindesalter in Heimen untergebracht gewesen.

L.M. war im Juli 2008 aus T.-N. nach B. in das im Alleineigentum des Ehemanns der Klägerin stehende Hausanwesen im Ortsteil S. gezogen. L.M. war zuletzt schwerpflegebedürftig gewesen und erhielt von der Pflegekasse ein monatliches Pflegegeld nach der Pflegestufe II in Höhe von 430,00 Euro; aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezog sie zwei Renten (Altersrente und Hinterbliebenenrente) in Höhe von zuletzt monatlich insgesamt 470,28 Euro; über eine Lebens- oder Sterbegeldversicherung verfügte sie den Angaben der Klägerin zufolge nicht. Das bei der Volksbank B. geführte Girokonto der L.M. wies am 15. Juni 2011 einen Habensaldo von 16,79 Euro, am 4. Juli 2011 bei Kontoauflösung von 6,91 Euro auf. Die Klägerin war bis zum Tod ihrer Mutter nicht berufstätig; erst zum 25. Juli 2011 nahm sie eine bis zum 13. April 2012 befristete Putzstelle in einer sozialen Einrichtung auf (monatlicher Verdienst 217,32 Euro). Ab 16. April 2012 war die Klägerin in einer Seniorenwohnanlage in B.-F. als Pflegehilfskraft teilzeitbeschäftigt (50 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden); die Vergütung erfolgte nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (Bereich Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände), wobei sich der Nettoverdienst ausweislich der von der Klägerin im Verwaltungs- und Berufungsverfahren vorgelegten Gehaltsabrechnungen im Jahr 2012 zwischen 801,84 Euro (Juni), 847,05 Euro (Juli) und 845,15 Euro (August) bewegte sowie im Jahr 2013 zwischen 764,72 Euro (Juni), 829,73 Euro (Juli) und 901,49 Euro (August). Der Ehemann der Klägerin, F. S. (i.F. F.Sch.), der seit März 1990 bei einem Bauunternehmen in B.-W. beschäftigt war, war nach deren Angaben von September 2010 bis Mitte Mai 2012 arbeitsunfähig erkrankt und bezog ab 15. Dezember 2010 von der Krankenkasse ein Krankengeld von täglich 47,63 Euro; für den Monat Juli 2013 erzielte er (bei einem Stundenlohn von 13,10 Euro und 176,50 Arbeitsstunden) einen Nettolohn von 1.909,17 Euro (einschl. Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld). F. Sch. hatte im Jahr 1999 von seinem Bruder im Wege der Erbauseinandersetzung den Grundbesitz auf der Gemarkung S. (Gebäude- und Freifläche insgesamt 176 qm) zu seinem Alleineigentum übernommen und dem weichenden Miterben einen Gleichstellungsbetrag von 67.625,00 Euro bezahlt; finanziert wurde der Grundstückserwerb über eine Bausparsofortfinanzierung (monatliche Ansparraten 183,33 Euro, Vorfinanzierungszinsen 144,82 Euro).

Die Klägerin veranlasste die Bestattung der L.M. Für die am 27. Juni 2011 im Krematorium in A. (i.F. A.) erfolgte Einäscherung entstanden Gebühren in Höhe von 480,33 Euro (Bescheid der Stadt A. vom 27. Juli 2011). Die Urnenbeisetzung im Erdgrab in B. (i.F. B.) ...

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