Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer. gleichrangige Unternehmensführung. Befreiung von Weisungen der Gesellschafterversammlung durch Aufsichtsrat. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Orientierungssatz
1. Bei einer Kapitalbeteiligung von 33,33 % hat keiner der Gesellschafter die Macht, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern, sofern die Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst werden, so dass alle drei Gesellschafter-Geschäftsführer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft stehen. Dies bedeutet nicht, dass damit in einer Gesellschaft mit mehr als zwei gleichberechtigten Gesellschaftern keiner innerhalb der Gesellschaft selbständig tätig sein kann, wenn die Führung des Unternehmens jeweils gleichrangig erfolgen soll. Eine gleichrangige Unternehmensführung bei einer Kapitalbeteiligung von weniger als 50 % setzt allerdings voraus, dass jeder der Gesellschafter-Geschäftsführer über eine im Gesellschaftsvertrag verankerte Sperrminorität verfügt.
2. Zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern, die durch einen Aufsichtsrat von Weisungen der Gesellschafterversammlung befreit sind.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 02.03.2018 aufgehoben und werden die Klagen der Kläger zu 1) bis 3) abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger zu 1) bis 3) wegen ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung sind.
Die F. Partner GmbH (Beigeladene zu 1) hat zum Unternehmensgegenstand die Erbringung von Beratungsdienstleistungen und die Entwicklung von eigenen Softwareanwendungen und wurde am 18.05.2015 gegründet und ins Handelsregister am 08.06.2015 eingetragen. Zum damaligen Zeitpunkt hielten die Gesellschafter Dr. H. F., U. R., M. O. (Kläger zu 2), M. R. (Kläger zu 1) sowie M. S. (Kläger zu 3) jeweils einen Gesellschaftsanteil von 20%. Alle fünf Gesellschafter wurden kraft Sonderrechts nach dem Gesellschaftsvertrag als Geschäftsführer bestellt. Nach dem Ausscheiden der Gesellschafter/Geschäftsführer F. und R. zum 31.12.2015 übernahmen die Kläger zu 1) bis 3) jeweils anteilig die Gesellschaftsanteile und verfügen seither jeweils über einen Gesellschaftsanteil von 33,33%. Die Kläger beantragten am 25.01.2016 die Feststellung nach § 7a SGB IV, dass sie ihre Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit ausüben. Der Antrag zur Statusfeststellung für alle Kläger ging am 13.01.2016 bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd ein, welche die Anträge an die Deutsche Rentenversicherung Bund weiterleitete
Die Beklagte zog jeweils den Gesellschaftsvertrag (nachfolgend GV) bei, welcher auszugsweise wie folgt lautet:
§ 8 Geschäftsführung
1) Jedem der Gesellschafter Herr Dr. H. F., Herr U. R., Herr M. O., Herr M. R. und Herr M. S. steht, solange er Gesellschafter und Geschäftsführer ist, als Sonderrecht die Befugnis zur Einzelgeschäftsführung zu. …
2) Die Geschäftsführer sind verpflichtet, die Geschäfte der Gesellschaft in Übereinstimmung mit dem Gesetz, diesem Gesellschaftsvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung sowie den Beschlüssen der Gesellschafter zu führen.
3) Der Aufsichtsrat kann die Geschäftsführer oder einzelne von ihnen durch Beschluss oder Vereinbarungen im Anstellungsvertrag von der gesellschaftsrechtlichen Weisungsgebundenheit befreien oder eine dem Vorstand einer Aktiengesellschaft entsprechende Position des oder der Geschäftsführer regeln.
…
§ 11 Aufsichtsrat
1) Die Gesellschaft hat einen Aufsichtsrat. Auf den Aufsichtsrat finden § 52 Abs. 1 GmbH-Gesetz und die dort genannten aktienrechtlichen Bestimmungen nur Anwendung, falls und soweit die Gesellschafter dies mit einer Mehrheit von vier Fünfteln der abgegebenen Stimmen beschließen. Die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder ist auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Der Aufsichtsrat ist dem Wohl der Gesellschaft verpflichtet.
2) Der Aufsichtsrat besteht aus einem Mitglied. Das Aufsichtsratsmitglied wird aufgrund einstimmigen Beschlusses der Gesellschafter bestellt. Die Gesellschafter können mit einer Mehrheit von vier Fünfteln der abgegebenen Stimmen jederzeit das Aufsichtsratsmitglied abberufen.
3) Das Aufsichtsratsmitglied wird für eine Amtszeit von drei bis fünf Geschäftsjahren bestellt.
4) Der Aufsichtsrat kann aus wichtigem Grund entsprechend § 626 BGB einen Geschäftsführer abberufen und den Anstellungsvertrag außerordentlich kündigen.
§ 12 Aufgaben
Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung. Darüber hinaus nimmt der Aufsichtsrat weitere...