Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. stationär durchgeführte Liposuktion bei Lipödem. keine Absenkung der Qualitätsanforderungen durch die Neuregelung des § 137c Abs 3 SGB 5

 

Orientierungssatz

1. Zum Anspruch einer Versicherten auf Erstattung der Kosten für stationär durchgeführte Liposuktionen bei Lipödem.

2. Aus der mit Wirkung zum 23.7.2015 in Kraft getretenen Neuregelung des § 137c Abs 3 SGB 5 ergibt sich für die stationäre Versorgung keine Absenkung der Qualitätsanforderungen auf Methoden mit dem bloßen Potential einer Behandlungsalternative. § 137c Abs 3 SGB 5 begründet keine Leistungsansprüche der Versicherten, sondern setzt diese vielmehr voraus.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.08.2022; Aktenzeichen B 1 KR 38/21 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Januar 2019 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der Kosten für stationär durchgeführte Liposuktionen streitig.

Die 1980 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet an einem Lipödem im Bereich von Armen und Beinen.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2017, bei der Beklagten eingegangen am 21. Februar 2017, beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine Liposuktion wegen Lipödem. Zur Begründung führte sie aus, seit Diagnosestellung durch die F.klinik, Fachklinik für Lymphologie, im Jahr 2011 trage sie täglich Kompressionsstrümpfe an Armen und Beinen und trotz wöchentlicher Lymphdrainage nähmen die Schmerzen und das Druckempfinden in beiden Extremitäten inzwischen stetig zu. Auch unter Anwendung des Schmerzöls Aconit seien die Schmerzen im Alltag (vor allem beim Autofahren) und im Berufsleben (selbst beim Halten von Ordnern) eine sehr starke Beeinträchtigung und physische Belastung. Hierzu legte sie die gutachterliche Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie Dr. B., H.-Klinik GmbH in L., vom 13. Januar 2017 (Diagnosen: Lipödem der Arme und Beine im Stadium II), die Bescheinigung des Internisten (u.a. Angiologie/Gefäßmedizin, Lymphologie) Prof. Dr. A. vom 2. Februar 2017 (Diagnosen: Lipödem der Arme und Beine, Stadium II-III, unverändert kein wesentliches Lymphödem), Fotografien von Armen und Beinen sowie vier Kostenvoranschläge der H.-Klinik GmbH vom 16. Januar 2017 für Liposuktionen (Oberarme: Kosten 1.139,92 €, zuzüglich Vergütungspauschale für allgemeine Krankenhausleistungen von 2.630,08 €; Oberschenkel innen und Knie innen sowie Oberschenkel außen und Hüften: Kosten jeweils 1.521,22 €, zuzüglich Vergütungspauschale für allgemeine Krankenhausleistungen von jeweils 3.583,78 €; Oberschenkel vorne: Kosten 1.224,92 € zuzüglich Vergütungspauschale für allgemeine Krankenhausleistungen von 2.630,08 €) vor.

Mit Bescheid vom 22. Februar 2017 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Liposuktion sei als ambulante Leistung bisher nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen worden, da der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hierzu noch keine positive Bewertung gemäß § 135 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) abgegeben habe. Die Notwendigkeit für eine stationäre Durchführung der Behandlung ergebe sich aus den eingereichten Unterlagen nicht. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, das Lipödem äußere sich durch deutliche Druckschmerzen, Ödembildung, Neigung zu Hämatomen und führe zu Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule, der Gelenke sowie der unteren und oberen Extremitäten und stelle eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität dar. Die seit fast sechs Jahren durchgeführten konservativen Maßnahmen in Form von manueller Lymphdrainage und Kompressionsbestrumpfung der Klasse 2 hätten eine nur unzureichende Verbesserung bzw. Linderung gebracht und die fortschreitende Verschlechterung des Krankheitsstadiums nicht aufhalten können. Das Lipödem sei nun als therapieresistent zu bezeichnen und als weitere Behandlungsmethode komme nur noch die Liposuktion in Betracht. Zur Notwendigkeit der stationären Behandlung und der wissenschaftlichen Studienlage verwies sie auf die ihrem Schreiben beigefügte Stellungnahme des Dr. B. vom 1. März 2017. Die Beklagte veranlasste eine sozialmedizinische Stellungnahme durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), wobei Dr. J.-Sch. in ihrem Gutachten vom 20. März 2017 die Kostenübernahme nicht befürwortete. Eine Krankheit im Sinne des Gesetzes sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar. Es liege eine Adipositas Grad 1 mit symmetrischer Fettgewebsvermehrung betont an Bauch, Oberschenkeln, geringer an den Unterschenkeln beidseits, sowie am Oberkörper und an den Oberarmen vor. Von einer Funktionseinschränkung der Hüften und der Beine sei nicht auszugehen. Bei der Liposuktion handele es sich im Übrigen um eine neue, nicht anerkannte Behandlungsmethode. Sie könne unabhängig vom Ort der Leistu...

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