nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Lösung des Beschäftigungsverhältnisses. Vergleich. Entlassungsentschädigung. Alter. Gleichbehandlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist das Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung tarifvertraglich wegen des Alters des Arbeitnehmers ausgeschlossen, so ruht gemäß § 143a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB III bei Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Vergleich ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer maximalen Kündigungsfrist von 18 Monaten. Dies verstösst weder gegen Art. 3 GG noch gegen Europarecht.
2. Der Abschluss eines Vergleichs im arbeitsgerichtlichen Verfahren stellt jedenfalls dann keine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III dar, wenn die hierdurch bewirkte Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne vorherige Absprache der Arbeitsvertragsparteien und auf Vorschlag des Arbeitsgerichts erfolgt ist.
Normenkette
SGB III § 128 Abs. 1 Nr. 4, § 143 Abs. 2, § 143a Abs. 1 S. 3 Nrn. 1-2, S. 5, Abs. 2, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; KSchG § 1a; GG Art. 3 Abs. 1; EG Art. 234; EGRL 2000/43 Art. 1; EGRL 2000/78 Art. 1, 3 Abs. 3; EGRL 2002/73 Art. 1; EGRL 2004/113 Art. 1
Verfahrensgang
SG Stuttgart (Urteil vom 07.12.2004; Aktenzeichen S 12 AL 3230/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 07. Dezember 2004 abgeändert und der Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 15. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Juni 2002 aufgehoben sowie der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 16. Mai 2002 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 28. Oktober 2002, vom 03. Januar 2003 und vom 02. Januar 2004 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 12. Mai 2004 bis zum 31. Mai 2004 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger erstrebt die Aufhebung von Sperrzeit- und Ruhensentscheidungen der Beklagten sowie die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Der am 20.05.1944 geborene Kläger war ab dem 06.03.1978 bei der Firma R. GmbH & Co. KG beschäftigt und zuletzt als Werkstoffprüfer tätig. Am 29.03.2001 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis „aus dringenden betrieblichen Erfordernissen außerordentlich mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende zum 30.09.2001”. Im Kündigungsschreiben heißt es weiter, die soziale Auslauffrist bemesse sich nach der ordentlichen tarifvertraglichen Kündigungsfrist. Der Arbeitsplatz falle auf Grund einer Umstrukturierung dauerhaft weg. Ein anderweitiger Arbeitsplatz könne nicht angeboten werden. Eine Sozialauswahl sei getroffen worden.
Im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Stuttgart schlossen der Kläger und die Arbeitgeberin am 15.05.2001 einen gerichtlichen Vergleich. Darin stellten sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30.09.2001 auf der Grundlage der arbeitgeberseitigen Kündigung vom 29.03.2001 außer Streit. Darüber hinaus verpflichtete sich die Arbeitgeberin aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine mit der Beendigung fällige Abfindung in Höhe von DM 95.000,00 netto an den Kläger auszubezahlen.
Am 06.09.2001 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er gab an, ihm sei von Seiten der Personalverwaltung der Arbeitgeberin bereits im Juli 2000 eröffnet worden, dass man sich auf Grund der schlechten Auftragslage von ihm trennen wolle. Dabei sei ihm für den Fall von Widerständen in Aussicht gestellt worden, dass man ihn unter Druck setzen könne. Nachdem die mit ihm geführten Gespräche immer massiver geworden seien und er mit einer Mobbing-Situation habe rechnen müssen, habe er sich gezwungen gesehen, der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zuzustimmen.
Nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung der Arbeitgeberin vom 16.10.2001 bezog der Kläger in den letzten 12 Monaten des Beschäftigungsverhältnisses ein Arbeitsentgelt von insgesamt DM 64.762,65. Die ihm gezahlte Abfindung habe brutto DM 144.680,00 betragen. Darüber hinaus stehe ihm eine Urlaubsabgeltung für die Zeit vom 01.10.2001 bis einschließlich des 31.10.2001 zu. Die maßgebliche Kündigungsfrist betrage sechs Monate zum Ende des Vierteljahres.
Mit Bescheid vom 15.11.2001 stellte die Beklagte daraufhin den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen für den Zeitraum vom 01.10.2001 bis zum 23.12.2001 nebst Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 240 Tage – ein Viertel der Anspruchsdauer – sowie mit gesondertem Bescheid vom selben Tage das Ruhen des Leistungsanspruchs des Klägers bis zum 21.04.2002 wegen der mit seiner Arbeitgeberin vereinbarten Entlassungsentschädigung fest. Hinsichtlich der vom Kläger erhaltenen bzw. zu be...