Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungszeiten. Höchstdauer der Berücksichtigung von Schul- und Hochschulausbildungszeiten als Anrechnungszeiten. Bindungswirkung eines Vormerkungsbescheides im Kontenklärungsverfahren. Aufhebung von Vormerkungen im Rentenverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 149 Abs. 5 S. 2 SGB VI hindert den Rentenversicherungsträger nicht daran, der materiellen Rechtslage entgegenstehende Vormerkungsbescheide gem. § 48 SGB X für die Zukunft aufzuheben.
Orientierungssatz
1. Vormerkungsbescheide bedürfen einer ausdrücklichen Aufhebung (vgl BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R = SozR 4-2600 § 149 Nr 1 und BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 46/02 R)
2. Der alleiniger Grund für die Einführung des Satzes 2 des § 149 Abs 5 SGB 6 sollte eine Verwaltungsvereinfachung sein. Hinsichtlich der Frage, ob § 149 Abs 5 S 2 SGB 6 lex speziales gegenüber § 48 SGB 10 ist, schließt sich der Senat dem Urteil des LSG Essen vom 24.2.2006 - L 14 RA 97/03 an. Der Senat schließt sich der entgegenstehenden Rechtsauffassung des SG Reutlingen vom 22.3.2007 - S 3 R 3187/06 nicht an.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 5. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 13. Dezember 2004 streitig, mit dem die Beklagte - nach Bewilligung der Altersrente - drei Vormerkungsbescheide aufgehoben hat.
Auf seinen Antrag vom April 2001 bewilligte die Beklagte dem im Juli 1936 geborenen Kläger mit Bescheid vom 23. Mai 2001 ab 1. August 2001 Regelaltersrente in Höhe von monatlich 3.338,19 DM. Dabei berücksichtigte sie in Anwendung des § 58 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) idF des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (- in Kraft vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2001 -) 36 Monate mit nachgewiesenen Zeiten beruflicher Ausbildung (Fachschulausbildung vom 11. März 1956 bis 22. Februar 1959). Die gegenüber dem Kläger - früher - erlassenen Vormerkungsbescheide vom 19. Mai 1988, 28./29. Januar 1999 sowie 27. April 1999 (letzterer nicht in den Akten und nicht rekonstruierbar), in denen sie im erstgenannten Bescheid weitere Zeiten der Hochschulausbildung (3. November 1959 bis 31. Oktober 1961; 1. Mai 1963 bis 18. Mai 1965) sowie Fachschulausbildung (1. Oktober 1971 bis 28. März 1972) als rentenrechtliche Zeiten und in dem nachfolgenden Bescheid dieselben Zeiten mit dem Zusatz “Höchstdauer überschritten„ festgestellt hatte, hatte die Beklagte im Regelaltersrentenbescheid - wie sie selbst einräumt - nicht aufgehoben. Den Widerspruch, den der Kläger gegen die Rentenhöhe im Hinblick auf diese früher vorgemerkten Ausbildungszeiten einlegte, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2001). Die dagegen zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage S 6 RA 1775/01) hat das SG mit Urteil vom 7. Mai 2003 abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger im Juni 2003 Berufung eingelegt (L 2 RA 2309/03); dieses Verfahren wurde zum Ruhen gebracht (Beschluss des erkennenden Senats vom 17. November 2003) und vom Kläger im Oktober 2004 wieder angerufen (L 2 RA 4548/04).
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; Urteile vom 30. März 2004 - B 4 RA 36/02 R und 46/02 R) hob die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 13. Dezember 2004 die oben genannten Vormerkungsbescheide für die Zukunft ab 1. Januar 2005 auf. Mit weiterem Bescheid vom 27. Februar 2006 stellte sie die Regelaltersrente für die Zeit vom 1. August 2001 bis 31. Dezember 2004 - unter Berücksichtigung der für diesen Zeitraum noch nicht aufgehobenen oben genannten Vormerkungsbescheide - neu fest. Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13. Dezember 2004 blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2005).
Deswegen hat der Kläger am 2. August 2005 Klage zum SG erhoben. Mit Urteil vom 5. Juli 2006 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, entgegen der Auffassung des Klägers schließe § 149 Abs. 5 S. 2 SGB VI nicht die Anwendung des § 48 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aus.
Der Kläger hat am 16. August 2006 Berufung eingelegt und geltend gemacht, die Aufhebung der Vormerkungsbescheide sei rechtswidrig, weil sie spätestens unter Beachtung des § 149 Abs. 5 S. 2 SGB VI im Regelaltersrentenbescheid hätte geschehen müssen. Diese Vorschrift sei “lex speziales„ gegenüber § 48 SGB X, sodass auch eine Aufhebung für die Zukunft nicht in Betracht komme, weswegen ihm höhere Altersrente zustehe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 5. Juli 2006 sowie den Bescheid vom 13. Dezember 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Veraltungsakte der Beklagten s...